Response
Wie kann man im Ernstfall am besten reagieren?
Schnelles Handeln ist vor allem bei akuten Schadensereignissen gefragt. Ein funktionierendes länder- und organisationsübergreifendes Katastrophenschutzmanagement erlaubt es, Einsatzkräfte in kurzer Zeit zu mobilisieren und zu koordinieren. Um verschiedene Szenarien durchzuspielen, hat das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS in Berlin mit Partnern aus dem privaten und öffentlichen Sektor ein »safety lab« eingerichtet. Auf Knopfdruck kann dort ein Extremunwetter aufziehen oder ein Großbrand entfacht werden – in der Computersimulation. Realitätsnah lässt sich dann virtuell aufzeigen, in welchem Fall welche Stellen involviert sind und wie die Prozesse genau ablaufen. »In unserem Lab zeigen wir die Vernetzung verschiedenster Systeme, von Feuerwehrleitstellen über Leitstände kritischer Infrastrukturbetreiber bis hin zu Informationssystemen für die Öffentlichkeit. Die zentrale Forschungsfrage ist, wie sich diese dezentralen Lösungen miteinander koppeln lassen und vor allem wie wir die Bevölkerung in die Informationsprozesse einbinden«, erklärt Niklas Reinhardt, Mitarbeiter im Bereich Vernetzte Sicherheit am FOKUS. Dafür spielen nicht nur technische, sondern auch organisatorische und juristische Fragen eine wichtige Rolle. Aus dem Sicherheitslab sind Technologien wie das international von Millionen Menschen genutzte Warnsystem KATWARN und das Helfersystem KATRETTER, über das Freiwillige bei einem Notfall die Einsatzkräfte unterstützen können, hervorgegangen.
Die weltweite Ausbreitung des Coronavirus hat gezeigt, wie wichtig einheitliche und abgestimmte Prozesse sind, wenn es ums Krisenmanagement geht. Die EU arbeitet – mithilfe von Fraunhofer – daran, einheitliche europäische Standards im Bereich Disaster Resilience zu schaffen. Im Projekt STRATEGY, das ab September startet, wirkt das Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT daran mit, die grenzüberschreitende technische und organisatorische Interoperabilität im Katastrophenmanagement zu stärken. Dafür werden existierende, in Entwicklung befindliche und ganz neue Standards realitätsnah getestet und evaluiert.
Flexibilität ist das Zauberwort in der Response-Phase und wichtiger Erfolgsfaktor von resilienten Gesellschaften. Unternehmen digitalisierten in der Coronazeit in Windeseile ihre Prozesse, sodass die Arbeitnehmerschaft trotz Lockdown arbeiten konnte. Schnapsbrennereien stellten mit ihren Anlagen Desinfektionsmittel her. Bekleidungsunternehmen fertigten Schutzmasken. Autobauer modifizierten ihre 3D-Drucker für die Produktion von Beatmungsgeräten. Im Resilience Engineering spricht man von »Generic Capabilities«. Es geht darum, vorhandene Instrumente und Fähigkeiten außerhalb ihrer eigentlichen Zweckbestimmung zu nutzen, um schnell reagieren zu können. Je mehr generische Fähigkeiten und Ressourcen Organisationen zur Verfügung haben, desto agiler können sie eine Resilienz-Strategie umsetzen. Wie die flexible Anpassung oft hochspezialisierter Prozesse gelingt, weiß man am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT in Aachen. Dort hatten die Forschenden vier Wochen Zeit, um gemeinsam mit Partnern für die Moss GmbH eine Produktionsanlage für sogenannte MNS-Masken aufzubauen. Und das zum Großteil aus dem Homeoffice heraus und in parallelen Arbeitsschritten. 40 000 der dringend benötigten zertifizierten chirurgischen Masken produziert das Unternehmen, das eigentlich großformatige Textildrucke für Werbezwecke herstellt, dort nun täglich. Derzeit befinden sich weitere Anlagen im Bau, die Produktionskapazitäten von mehreren Millionen Masken pro Woche erreichen sollen.
Digital Engineering
Digitales Engineering ist der Schlüssel zu mehr Flexibilität in unsicheren Zeiten. »Wir müssen uns darauf einstellen, die Produktion immer wieder hoch- und runterzufahren, wenn regionale Lockdowns Lieferketten unterbrechen, Personal oder Rohstoffe fehlen«, sagt Prof. Julia Arlinghaus, Leiterin Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF. Doch manche Produktionsstätten können nicht einfach ausgeschaltet werden. Fernwartung ist eine Möglichkeit, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. »Wir erstellen einen digitalen Zwilling der Anlage, sodass man im Ernstfall nicht erst eine Bestandsaufnahme machen muss, sondern alle relevanten Informationen verfügbar hat«, erklärt die Produktionsexpertin. So lässt sich in Echtzeit und ortsunabhängig simulieren, wie man die Produktion effizient umstellen kann.
Wo Lieferketten versagen oder die Nachfrage nach bestimmten Produkten sprunghaft ansteigt, hilft auch 3D-Druck. Druckdateien lassen sich einfach online teilen und jeder kann vor Ort schnell das herstellen, was gebraucht wird. Dr. Philipp Imgrund von der Fraunhofer-Einrichtung für Additive Produktionstechnologien IAPT in Hamburg ist überzeugt: »Durch die Corona-Pandemie wurde deutlich, dass uns die additive Fertigung resilienter in Krisen macht. Wir können flexibler auf neue Situationen reagieren und Engpässe – etwa bei Schutzausrüstung oder Komponenten für Beatmungsgeräte – schneller überwinden. In den letzten Monaten gab es zahlreiche Initiativen, wo 3D-Druck schnell Hilfe leistete.« Künftig könnte es also zum Wettbewerbsvorteil werden, 3D-Druck standardmäßig in die Produktionsprozesse zu integrieren.