Interview
30. März 2020
»Eine Situation, die allen etwas abverlangt.«
Dr. Josephine Hofmann, Leiterin im Team »Zusammenarbeit und Führung« am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, erklärt, wie das Coronavirus die Arbeitswelt verändert und wie sich der Wechsel ins Home-Office bewältigen lässt.
Frau Dr. Hofmann, wie können Unternehmen ihre Mitarbeitenden am besten auf das Home-Office vorbereiten?
Zunächst einmal brauchen sie eine Vorstellung davon, wer überhaupt sinnvoll von zu Hause arbeiten kann. Sie müssen sicherstellen, dass die nötige IT-Infrastruktur und Geräte wie Dienst-Laptops und Dienst-Handys vorhanden sind. Sollten die Mitarbeitenden ihre privaten Geräte nutzen, müssen alle Kontaktadressen und Rufnummern verfügbar sein. Das sind Punkte, die geklärt werden müssen, und bei denen vielfach ein pragmatisches Vorgehen notwendig ist. Dazu kommen dann noch wichtige Informationen für die Mitarbeitenden, etwa über die geltenden Arbeitszeitregelungen und darüber, dass auch im Home-Office der Versicherungsschutz weiterbesteht.
Was gilt es noch zu beachten?
Man sollte sich fragen, welche Arbeiten wirklich systemrelevant sind. Dabei hilft eine Priorisierung der Aufgaben. Gleichzeitig sollte man überlegen, ob es nicht Themen gibt, die schon länger auf der To-do-Liste stehen und die gut vom Home-Office aus erledigt werden können. Ich denke da zum Beispiel an die Aktualisierung der Webseite oder die Pflege der Adressendatei. Firmen können auch unkompliziert den Zugang zu Online-Weiterbildungsangeboten ermöglichen, um so die Zeit zu nutzen.
Eine weitere Frage, die zu beachten ist, lautet: Wie informiere ich meine Kunden und Geschäftspartner. Da ist es besser, proaktiv zu handeln und auf eventuell eingeschränkte Arbeitsfähigkeit hinzuweisen, als darauf zu warten, dass der Kunde das selbst herausfindet.
Welche besonderen Herausforderungen stellt es an Personalverantwortliche, wenn plötzlich ganze Abteilungen im Home-Office arbeiten?
Für viele Führungskräfte bedeutet das ein völlig neues Kommunikationsverhalten. Spontan bei einer Kollegin oder einem Kollegen im Büro vorbeizuschauen oder kurzfristig eine Besprechung anzusetzen, ist dann nicht mehr möglich. Führungskräfte müssen deutlich aktiver werden. Sie müssen sich regelmäßig bei ihren Mitarbeitenden melden, auch nur um einmal nachzufragen, wie es geht. Es wird viel schwieriger, den Überblick zu behalten. Den muss man sich deutlich mühsamer erarbeiten. Es wird für alle Beteiligten anstrengender werden.
Wie strukturiert man seinen Arbeitstag zu Hause?
Wichtig ist, sich einen separaten Arbeitsplatz einzurichten. Auch wenn man kein eigenes Arbeitszimmer hat, sollte man dafür sorgen, möglichst ungestört zu bleiben. Natürlich muss man sich über die anstehenden Aufgaben informieren. Hilfreich ist es auch, sich einen Arbeitsplan zu erstellen und Pausen festzulegen. Manchen hilft es auch, sich weiterhin wie fürs Büro anzuziehen und die bisherigen Routinen beizubehalten.
Wer zum ersten Mal im Homeoffice arbeitet, der dürfte sich anfangs ziemlich einsam fühlen. Was kann man dagegen tun?
Da kann ich nur raten, alle Kommunikationsmedien zu nutzen. Melden Sie sich selbst aktiv bei Ihren Kolleginnen und Kollegen, warten Sie nicht darauf, dass Sie angerufen werden. Und betrachten Sie diese Zeit auch nicht als vergeudete Zeit. Aber natürlich ist das eine Situation, die allen etwas abverlangt.
Erwarten Sie, dass die Corona-Krise unsere Arbeitswelt nachhaltig verändern wird?
Ich gehe davon aus, dass wir jetzt Dinge lernen, die sich langfristig auch auf die »normalen« Arbeitsstrukturen auswirken werden. Wir sind gezwungen, teilweise neue Wege zu gehen und Experimente zu wagen, an die wir vorher nicht gedacht haben. Wenn wir jetzt zum Beispiel die Erfahrung machen, dass man nicht für jedes einstündige Meeting persönlich anwesend sein muss und dass sich viele Arbeiten ebenso gut im Home-Office erledigen lassen, dann kann das durchaus einen positiven Lerneffekt bewirken, der nachhaltig ist.