Die Diskussion um den Klimawandel hat das Thema Nachhaltigkeit nochmals stärker ins Zentrum der Diskussion gerückt. Auf viele Fragen liefert Wasserstoff eine wichtige Antwort. Er dürfte daher zum Schlüsselmolekül der Energie- und Rohstoffwende werden.
Der Bedarf für Wasserstofftechnologien liegt auf der Hand: Da ist zunächst die Energieversorgung, wo es immer stärker darum geht, Energie flexibel zwischenzuspeichern, wenn sie in großen Mengen erzeugt werden kann, und ins System zurückzuspeisen, wenn Sonne und Wind sich rarmachen. Wenn die Klimaziele erreicht werden sollen, muss die regenerative Energieerzeugung konsequent ausgebaut werden. Aber erst die Kopplung mit Wasserstofftechnologien macht diesen Ausbau überhaupt sinnvoll. Zehn-Megawatt-Elektrolyseure können Angebot und Nachfrage sehr schnell ausgleichen und werden künftig eine wichtige Regelgröße im Netz sein.
Für eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 95 Prozent reicht der Umstieg auf regenerative Energiequellen nicht aus. Industrielle Prozesse sollen »defossiliert« und die Rohstoffbasis soll auf erneuerbare Ressourcen umgestellt werden. Damit werden in rascher Folge weitere Wasserstofflösungen ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich interessant. So soll beispielsweise der CO2-Fußabdruck von Stahlkonzernen bereits ab 2021 durch den Einsatz von Wasserstoff reduziert werden, bis 2050 soll es gar möglich sein, CO2-neutralen Stahl herzustellen. Wenn CO2 aus hochkonzentrierten Gasströmen entfernt und mithilfe von Wasserstoff in Basischemikalien wie Methanol umgewandelt wird, verbessert dies die Klimabilanz industrieller Prozesse und bedeutet gleichzeitig den Einstieg in eine Produktion, die unabhängig von fossilen Ressourcen ist. Langfristig kann sogar das CO2 aus der Luft mit Wasserstoff umgewandelt und als Rohstoff genutzt werden, was die globalen Kohlenstoffkreisläufe schließen würde. Auch in Verkehr und Transport wird Wasserstoff zur Klimaneutralität beitragen, gerade dann, wenn direkt-elektrifizierte Lösungen keine Option darstellen.
Wie schätzen Experten die künftige Entwicklung von Wasserstofftechnologien ein? Solchen Fragen widmet sich das 2017 gegründete Hydrogen Council, an dem sich weltweit 53 Unternehmen beteiligen – darunter Linde, Daimler, Audi, Bosch und BMW. Dieses geht davon aus, dass bis 2050 18 Prozent des globalen Energiebedarfs durch Wasserstoff gedeckt werden können, was einer jährlichen Vermeidung von sechs Gigatonnen CO2-Ausstoß gleichkommt. Eine Fraunhofer-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Deutschland 2050 bis zu 800 Terawattstunden Wasserstoff benötigen könnte, wenn die Potenziale ausgeschöpft werden und etwa auch der Schiffs- und Flugverkehr auf Wasserstoff und daraus erzeugten synthetischen Treibstoffen basiert (Studie vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, 2019). Eine Elektrolyse-Kapazität von 80 Gigawatt erscheint in Deutschland möglich, aber selbst dies wird nur einen Teil der Nachfrage decken können.
Somit ist klar, dass die Wasserstoffwirtschaft von Anfang an eine internationale Dimension hat: Viele Regionen in der Welt bereiten sich auf den Handel mit nachhaltig erzeugten Energieträgern und Basischemikalien vor, was für Deutschland neue Energiepartnerschaften jenseits der bisherigen fossilen Energieimporte ermöglicht. So beginnt beispielsweise Saudi-Arabien damit, große Photovoltaik-Parks für den Export von Wasserstoff zu planen und zu bauen. Auch Norwegen, Australien, Chile, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Marokko setzen verstärkt auf Wasserstoff. Japan nimmt international eine Vorreiterrolle beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ein: Seit 2017 hat das Land eine Wasserstoffstrategie, für die jährlich rund 300 Mio € zur Verfügung stehen. Für deutsche Unternehmen bedeutet dies, dass für Wasserstofftechnologien attraktive Märkte weltweit entstehen.
Wichtig ist, heute die Weichen zu stellen. Denn wenn auch der Bedarf an Wasserstoff in den kommenden Jahren erst allmählich ansteigt, müssen jetzt die Technologien optimiert, die Standards gesetzt und die Infrastrukturen aufgebaut werden. Bis Ende der 20er-Jahre muss Deutschland in der Wasserelektrolyse bereits Zuwachsraten von etwa einem Gigawatt pro Jahr erreichen. Nur so kann die Klimawende gelingen und Deutschland gleichzeitig seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sichern und seine Chancen als Technologie-Exporteur wahren. Die Fraunhofer-Institute stehen bei solchen Herausforderungen sowohl der Industrie als auch der Politik als kompetenter Partner zur Seite: Sie entwickeln nicht nur die notwendigen Technologien, sondern erstellen auch Studien zur Marktentwicklung und zur Nachhaltigkeit. Zahlreiche Länder stehen in den Startlöchern, um die Wasserstoffwirtschaft anzukurbeln. Daher ist es auch in Deutschland an der Zeit, die entsprechenden Technologien zur Marktreife zu bringen.