Kompetenzen für das Wasserstoff-Zeitalter

Balance im Energiesystem

Wasserstoff hilft, Schwankungen der regenerativen Stromerzeugung abzufedern.
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Wasserstoff hilft, Schwankungen der regenerativen Stromerzeugung abzufedern.

Im Zug der Energiewende werden Kohle- und Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gehen – regenerative Quellen wie Wind und Sonne sollen die entstehende Lücke füllen. Die Herausforderung: Die Energiemenge aus Sonne und Wind schwankt stark, während bisherige Grundlastkraftwerke wie Kohlekraftwerke nachfrageorientiert betrieben werden. Zudem wird die Energie in Windparks oft fern des Verbrauchers erzeugt. Es ist daher ein Weg vonnöten, regenerative Energie elektrisch in die Nachfragezentren zu transportieren oder zu speichern und flexibel wieder in den Energiekreislauf einzuspeisen. Wasserstofftechnologien machen Letzteres möglich: Mit dem regenerativ erzeugten Strom wird eine Elektrolyse betrieben, in der Wasser elektrochemisch in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten und somit speicher- und transportierbar wird. Durch Rückverstromung lässt sich aus dem Wasserstoff wieder Strom erzeugen. Über solchen »grünen« Wasserstoff lassen sich Versorgungssicherheit und Netzresilienz weiter ausbauen. 

Wie lässt sich Wasserstoff speichern und nutzen?

Der Wasserstoff lässt sich direkt nutzen – etwa über die Rückverstromung in Brennstoffzellen oder als Grundstoff in der Chemieindustrie. In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst einmal die Frage der Wasserstoffbereitstellung: Für die traditionelle Speicherung sind tiefe Temperaturen (-253 °C) oder hohe Drücke von mehreren hundert Bar nötig. In der BMBF-Initiative HYPOS – kurz für Hydrogen Power and Solutions East Germany – widmet sich ein Konsortium von 110 Mitgliedern aus Industrie und Wissenschaft Fragen der Speicherung und des Transports von Wasserstoff. So untersucht das Fraunhofer IMWS die Möglichkeit, Wasserstoff in einer Salzkaverne zu speichern; für den Transport wurde eine Pipeline aus Metallen und Kunststoffen aufgebaut.

Eine Alternative zur direkten Nutzung des Wasserstoffs bilden Power-to-X-Umwandlungsprozesse: Dabei wird Wasserstoff in verschiedene Grundstoffe weiterverarbeitet. Ein Beispiel ist Power-to-Liquid, wobei der mit regenerativer Energie erzeugte Wasserstoff mit nicht-fossilem CO2 zu Energieträgern wie Methanol umgesetzt wird. Im BMBF-geförderten Konsortium Carbon2Chem®, welches das Fraunhofer UMSICHT koordiniert, beschäftigen sich ein Team des In­stituts sowie Kolleginnen und Kollegen aus dem Fraunhofer ISE mit Verfahren zur Methanolsynthese aus Abgasen der Stahlindustrie: Wie lassen sich Strom- und Industriesektor durch flüssige Energieträger koppeln? Und wie wirkt es sich auf das deutsche Energiesystem aus, wenn fossile Energieträger durch erneuerbare Kraftstoffe und Chemikalien ersetzt werden, der Energiesektor also zunehmend defossilisiert wird?

Orientierungshilfe auf dem Weg zu einer Wasserstoffwirtschaft

Wie kann der Transformationsprozess zu einem weitgehend treibhausgasneutralen Energie­system in Deutschland konkret aussehen? Im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie BMWi modellieren die Experten des Fraunhofer ISI Szenarien für ein kostenoptimiertes und sicheres Energiesystem und liefern damit eine wichtige Orientierungshilfe für die Diskussion um die Weiterentwicklung der Energiewende. Mit dem Nachfragemodell FORECAST untersuchten sie für die Netzbetreiber zudem die Nachfrageseite des europäischen Energiesystems.

Auch Entwickler, Unternehmen und Investoren brauchen genauere Angaben zur Wirtschaftlichkeit, bevor sie in eine Wasserstofftechnologie investieren. Energiesystem-Modellierungen aus dem Fraunhofer ISE können belastbare Angaben machen – von Wasserstoffentstehungskosten, Wirkungsgrad und Wasserstoffausbeute bis hin zu Machbarkeitsstudien sowie Ertragsgutachten.

Ob innovative Energietechnologien erfolgreich sind, hängt unter anderem von der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Unterstützung ab. Die gesellschaftliche Akzeptanz von Wasserstofftechnologien untersucht das Fraunhofer ISI im EU-Projekt HYACINTH. Das Projekt H2-Chancendialog am Center for Responsible Research and Innovation des Fraunhofer IAO zielt darauf ab, das Innovationspotenzial gesellschaftlicher Perspektiven zu identifizieren, um neue Wasserstofflösungen kollaborativ und unter Einbezug unterschiedlicher Stakeholder zu entwickeln.