Kompetenzen für das Wasserstoff-Zeitalter

Hohe Zahlen, große Größen: Produktion der Systeme

Die erneuerbaren Energien sollen ab 2020 deutlich ausgebaut werden. Damit beginnt auch der Hochlauf der Wasserstofftechnologien: Geht man für das Jahr 2022 von einer installierten Elektrolyseleistung von etwa einem Gigawatt aus, wird diese bis zum Jahr 2050 um den Faktor 200 ansteigen. Daraus resultieren bis 2050 durchschnittliche Zubauraten von etwa vier bis acht Gigawatt pro Jahr – das ergab die Studie »Industrialisierung der Wasserelektrolyse in Deutschland« von Fraunhofer ISE und IPA.

Herstellung von Umformwerkzeugen für Bipolarplatten.
© Fraunhofer IPT
Herstellung von Umformwerkzeugen für Bipolarplatten.
Experimentelle und simulative Untersuchung der Faltenbildung bei der Umformung von Bipolarplatten.
© Fraunhofer IWU
Experimentelle und simulative Untersuchung der Faltenbildung bei der Umformung von Bipolarplatten.
Rolle-zu-Rolle-Fertigung von Membranen.
© Fraunhofer IPT
Rolle-zu-Rolle-Fertigung von Membranen.

Um diese Zubauraten erfüllen zu können, muss sich die Herstellung von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen ändern: Bisher werden einzelne Komponenten gebaut und dann per Hand zusammengesetzt, die Fertigung hat also vorwiegend Manufaktur-Charakter. Von einer automatischen Fertigung ist man größtenteils noch weit entfernt – und damit auch von einer hohen Stückzahl, besserer Reproduzierbarkeit und der notwendigen Kostenreduktion. Die Automatisierung der Elektrolyseur- und Brennstoffzellen-Produktion ist daher ein großes Thema für die gesamte Branche, zu dem die Fraunhofer-Gesellschaft mit ihren breiten Kompetenzen viel beitragen kann. Zum anderen geht es darum, Elektrolyseure und Brennstoffzellen auch in großen Dimensionen und mit hoher Leistung zu realisieren.

Von der Manufaktur zur automatischen Produktion: Elektrolyseure und Brennstoffzellen

Eine automatische Produktion von Brennstoffzellen auf den Weg zu bringen, haben sich Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IPT zum Ziel gesetzt. Sie haben daher eine Produktionslinie aufgebaut: eine Forschungsinfrastruktur, auf der die komplette Fertigung auf einem industriellen Level durchgespielt werden kann. Die Produktion wird dort so nachgebildet, dass – für jedes einzelne Produktionsstück – keinerlei Skalierungsrisiken bestehen. In der Produktionslinie entwickeln die Forscher unter anderem eine hochdynamische Intralogistik für einen großen Automatisierer in Deutschland.

Ein Stack mit 400 Bipolarplatten – wie er etwa für den Automobilbereich benötigt wird – besteht aus 801 Hälften. Für 10 000 Stacks kommen daher schnell Millionen von Bipolarplatten zusammen. Wie lassen sich diese am besten zusammenfügen? Ist es sinnvoll, auf Warmumformung umzustellen oder Laserprozesse einzubinden? Eine Möglichkeit bietet das kontinuierliche Fügen. Dabei werden die Bleche erst spät vereinzelt, was höhere Durchsätze erlaubt. Fraunhofer IPT und ILT wollen sich dieser Technologie gemeinsam widmen. In einem weiteren Projekt verbinden die beiden Institute die Systementwicklung mit einem produktionsangepassten Design, dabei leiten sie Gestaltungsrichtlinien für die Produktion von Brennstoffzellen ab.

Das große Optimierungspotenzial im Bereich der Fertigung und Montage von Brennstoffzellen-Stacks wird anhand des EU-geförderten Projektes Fit-4-AMandA deutlich. In nur zwei Jahren gelang es dem internationalen Projektteam unter Beteiligung des Fraunhofer IWU, eine Anlage zur automatisierten PEM-Stack-Montagelinie für die Firma Proton Motor Fuel Cell GmbH zu entwickeln. Diese erhöht die Fertigungskapazität je nach Stack-Größe von 300 auf aktuell bis zu 5000 Stacks pro Jahr. Gleichzeitig können damit die Montagezeit bis zu 95 Prozent und die Montagekosten bis zu 90 Prozent verringert werden.

Auf dem Gebiet der Prozessführung verfügt das Fraunhofer ISE über umfangreiches Erfahrungswissen aus langjähriger Forschung in der Solarzellenproduktion. Im Rahmen von »HyFab« kann die Übertragung dieser Kompetenz auf den Brennstoffzellen-produktionsprozess jetzt vom Labor- auf den industriellen Maßstab gehoben werden und so die Industrie bei der Hochskalierung unterstützen.

Alkalischer Elektrolyseur zum Testen von großen Elektroden.
© Fraunhofer IFAM
Alkalischer Elektrolyseur zum Testen von großen Elektroden.

Die Basis: Automatisierte Fertigung von Einzelkomponenten

Soll der gesamte Prozess der Elektrolyseur- und Brennstoffzellen-Fertigung automatisiert werden, gilt es nicht nur, den Gesamtprozess zu optimieren, sondern auch an einzelnen Stellschrauben zu drehen – also die Fertigung von Einzelkomponenten hochzuskalieren. Ein Beispiel sind die Elektroden, die für Elektrolyseure und Brennstoffzellen benötigt werden. Hier hat das Fraunhofer IFAM ein schnelles Durchsatzverfahren für die Beschichtung der Elektroden entwickelt: Sie bringen den Katalysator über einen Sprüh- oder Druckauftrag auf ein metallisches leitfähiges Substrat auf und schließen eine Wärmebehandlung an, um die Stabilität zu gewährleisten. Die Technologie hat einen Reifegrad von sieben, ist also im Erprobungsstadium. In zwei bis vier Jahren dürfte sie in industriellen Prozessen eingesetzt werden können. Das Fraunhofer IPT wiederum hat eine Rolle-zu-Rolle-Entwicklungsumgebung aufgebaut, mit der sich Fertigungsprozesse für die Membran-Elektroden-Einheit schnell vom Labormaßstab in die kontinuierliche Produktion überführen lassen. Die Entwicklungsumgebung eignet sich sowohl für Membran-Elektrodeneinheiten für Brennstoffzellen als auch für solche für Elektrolyseure.

Das Fraunhofer IWU widmet sich unter anderem der Aufgabe, die Fertigung der metallischen Bipolarplatten in einen automatisierten und robusten Prozess zu überführen. Deren Bleche sind extrem dünn, daher können schnell Fehler oder Risse auftreten. Die Forscherinnen und Forscher vergleichen, entwickeln und verbessern daher Möglichkeiten, Bipolarplatten durch neue Umformprozesse ressourceneffizient und in Serie herzustellen. Zum Beispiel untersuchen sie für einen Industriekunden die Vorteile des Hohlprägens. In einem weiteren Vorhaben verbessern sie das kontinuierliche Walzprägen: Weil dabei nicht einzelne Bleche bearbeitet werden, sondern ein ganzes Band, sind hohe Stückzahlen möglich. Sind dagegen sehr genaue und filigrane Konturen gewünscht und sollen die Stückzahlen eher niedrig sein – wie bei einem flexiblen Design –, bietet sich das Innenhochdruck-Umformen an. Dabei wird ein Blechhalbzeug in eine Werkzeugform gedrückt, indem ein Wirkmedium mit hohem Druck in einen Hohlraum an der Rückseite des Blechs gepumpt wird. Schließlich widmet sich das Team des Fraunhofer IWU dem wirkmedienbasierten Hochgeschwindigkeitsumformen. Hier schlägt ein Werkzeug mit hoher Geschwindigkeit auf das Wirkmedium und erzeugt darin eine Druckwelle, die das Blech in die gewünschte Form presst. Durch die hohe Geschwindigkeit lassen sich in zahlreichen Werkstoffen besondere Geometrien realisieren. Sind die Bipolarplatten gefertigt, müssen sie gefügt werden. Diesen Produktionsschritt bringen die Fraunhofer-Experten nah an den Umformprozess. Fügt man die Platten etwa durch Laserschweißen zusammen, lässt sich der Prozess direkt mit in das kontinuierliche Walzprägen integrieren; dadurch kann man hohe Stückzahlen realisieren.

Flexible Polymer-Bipolarplatten entwickelt das Fraunhofer UMSICHT. Sie können miteinander und mit anderen Fügepartnern stoffschlüssig verbunden werden, sind sehr flexibel und ermöglichen somit völlig neue Konstruktionsmöglichkeiten für PEM-Brennstoffzellen. Auf ihrer Basis soll der Stack-Aufbau einfacher, sicherer und günstiger werden. Mit einem Industriepartner arbeitet das Institut daran, das Herstellungsverfahren der Bipolarplatten von der Laboranlage in eine großtechnische Rolle-zu-Rolle-Fertigung zu überführen.

Schließlich ist auch die Produktion von Wasserstofftanks eine Herausforderung. H-Tanks für mobile Anwendungen bestehen derzeit meist aus duroplastehaltigen Werkstoffen. Diese lassen sich jedoch nicht recyceln – sie können nur geschreddert werden. Daher setzt das Fraunhofer IPT auf Thermoplasten: Der Liner, ein wasserstoffdichter Tank, wird mit Kohlenfasern umwickelt, die in eine thermoplastische Matrix eingebettet sind und die miteinander verschweißt werden. Auf umgekehrtem Wege lassen sich diese Materialien auch wieder recyceln: Man schweißt die Platten einfach wieder ab. Die Forscherinnen und Forscher arbeiten derzeit an den entsprechenden Produktionsverfahren.

Produktionstechnische Begleitung

Für übergeordnete Aspekte der Massenherstellung all dieser Systeme und Komponenten bieten produktionstechnische Fraunhofer-Institute ihren Kunden ihr Know-how an, etwa in prozessintegrierter Qualitätssicherung, Produktionssicherheit oder im Bauteilhandling. So ist bei der Prozessautomatisierung eine Qualitätskontrolle unerlässlich. Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IWU entwickeln daher ein geeignetes Mess- und Regelungskonzept für Brennstoffzellen-Systeme. In einem ersten Schritt verknüpfen sie die Prozessparameter in einem Simulationsmodell und identifizieren die Anforderungen an die Sensoren.

Digitalisierung ist ein großes Thema, wenn es um die Automatisierung von Produktions- und Herstellungsprozessen geht. Doch die Wasserstofftechnologien stehen nicht nur in puncto Automatisierung, sondern auch in der Digitalisierung noch ganz am Anfang. Teams des Fraunhofer IPA untersuchen daher, welche Technologien aus stärker digitalisierten Industriezweigen sich auf die Wasserstofftechnologien übertragen lassen.

Größer, höher, leistungsfähiger

Bei den Brennstoffzellen geht es um Massenproduktion; bei stationären Technologien für die Wasserstoffwirtschaft kommt zu den großen Stückzahlen der Komponenten eine weitere Herausforderung hinzu: das reibungslose Zusammenspiel in neuen Größendimensionen. Ein Testfeld hierfür zu betreiben, hat sich Fraunhofer in Sachsen zur Aufgabe gemacht: Mit Unterstützung des Freistaats und in Zusammenarbeit mit der Siemens AG soll ein »Hydrogen Laboratory Görlitz« als gemeinsame Forschungsplattform entstehen. Hier werden innovative Lösungen für H- und Speichertechnologien entlang der H-Wertschöpfungskette »Power to Hydrogen to Power« erprobt, mit dem Ziel, ein nationales Prüf- und Zertifizierungszentrum für H- und Speichertechnologien im Schulterschluss mit der Elektrolyseplattform in Leuna zu etablieren. Der Fokus liegt dabei auf dem Testen und Validieren der großtechnischen Anlagen zur Elektrolyse, zur Speicherung des Wasserstoffs und seinem Transport und schließlich zur Rückverstromung in Brennstoffzellen-Systemen oder Gasturbinen. Fraunhofer IWU und IMWS koordinieren den interdisziplinären Ansatz, der Produktinnovation, Material- und Systemdiagnostik sowie die Entwicklung von Zertifizierungsstandards umfasst. Für den Wasserstoff, der im Rahmen des Testfelds produziert wird, wollen die Institute zusammen mit regionalen Partnern Nutzungskonzepte entwickeln.