Kompetenzen für das Wasserstoff-Zeitalter

Sicherheit und Verlässlichkeit: Standards, Prüfung, Lebenszyklus

Wasserstoff ist ein vielversprechender Energieträger, bei dessen Einsatz die Sicherheit höchste Priorität hat. Entsprechende Prüfverfahren für Werkstoffe und Bauteile von Brennstoff- und Elektrolysezellen sind folglich unerlässlich. Eng verknüpft mit der Sicherheit ist die Frage der Lebensdauer. An den Fraunhofer-Instituten gibt es zahlreiche Projekte, die diese Aspekte adressieren, samt entsprechenden Prüfständen.

Wasserstoff? Aber sicher!

Wasserstoff dient unter anderem als Energieträger für den Antrieb von Brennstoffzellen-Autos. Für die nötige Sicherheit sorgt das Fraunhofer ICT: Die Forscherinnen und Forscher untersuchen den Wasserstoff im jeweiligen System und betrachten verschiedene Möglichkeiten – bis hin zum Worst-Case-Szenario. Sie berechnen mögliche Fehler und leiten Wasserstoff anhand der theoretischen Ergebnisse gezielt in Hohlräume – wobei im hauseigenen Testgelände, das für bis zu drei Kilogramm TNT-Äquivalent ausgelegt ist, auch mal ganze Autos explodieren. Das Fraunhofer ICT bearbeitet zudem Fragen rund um den Sicherheitsabstand im Tankstellenbereich und der Druckabsicherung von Tankstellenbehältern.

Der Sicherheit bei der Energieversorgung im Wohnquartier widmet sich das Fraunhofer ICT im Projekt »Energiepuffer«: In diesem Vorhaben nutzt eine simulierte Passivhaussiedlung regenerativ hergestellten Wasserstoff als stationäres Speichersystem, um mithilfe eines intelligenten, prädiktiven Regelkonzepts energieautark zu werden. Dafür wird Energie aus Photovoltaik­anlagen in Form von Wasserstoff gespeichert und im Winter via Brennstoffzellen rückverstromt, Abwärme genutzt und per Nahwärmenetz bedarfsgerecht umverteilt. Die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer ICT haben die Wasserstoffanlage dimensioniert und entworfen, bauen die Systemsteuerung auf und unterziehen das System Stresstests, indem sie Fehlerfälle simulieren.

 

Auch bei Speicherung und Transport von Wasserstoff ist Sicherheit oberstes Gebot. Wasserstoff kann in Materialien eindringen und sie schädigen oder sogar zu Bauteilversagen führen. Das Fraunhofer IWM verfolgt im hauseigenen Wasserstofflabor die Diffusion von Wasserstoff und die Versprödung der Werkstoffe von der makroskopischen Skala bis hin zu Kristallstrukturen und Quanteneffekten und erstellt daraus Lebensdauervorhersagen und Risikoeinschätzungen. Wichtig ist das unter anderem bei Tanks oder Ferngasleitungen, die künftig bis zu 20 Prozent Wasserstoff transportieren sollen. In einem weiteren großen Projekt untersuchen zahlreiche Partner die Möglichkeiten, die Salzkavernen als Wasserstoffspeicher bieten. Das Fraunhofer IWM ist dabei für alle metallischen Komponenten und die damit verbundenen Sicherheits­aspekte zuständig.

 

Bruchfläche bei Wasserstoffversprödung
© Fraunhofer IWM
Bruchfläche bei Wasserstoffversprödung

Materialtests an Systemen bis zum Megawatt-Bereich führt das Fraunhofer IMWS durch. Die Messungen am Teststand werden mit mikrostrukturellen und analytischen Methoden kombiniert, um Ermüdungen und Schäden bis zur einzelnen Komponente, etwa einer Bipolarplatte, Elektrode oder Membran zurückzuverfolgen sowie Ableitungen für die Konstruktion und Produktion der Systeme zu generieren. Mit dem verstärkten Einsatz von Wasserstofftechnologien bringen eine ganze Reihe weiterer Fraunhofer-Institute ihr Know-how zu Sicherheit und Lebensdauer ein, etwa das Fraunhofer LBF bei Systemzuverlässigkeit, das Fraunhofer EMI seine Expertise bei Crash-Tests und explosiven Gasen, Fraunhofer IPM und IMS bei Sensoren oder das Fraunhofer IZFP seine sensorbasierte Prüftechnik für den gesamten Produktlebenszyklus.

Ein möglichst langes Leben …

Sicherheit ist das eine. Daneben sollen Systeme möglichst lange in Betrieb bleiben. Der Stabilität von Katalysatoren widmet sich unter anderem das Fraunhofer ICT und untersucht etwa die Haltbarkeit der eingesetzten Trägermaterialien. Insbesondere stehen die Korrosion und die Temperaturabhängigkeit der Degradationsprozesse sowie der Einfluss von Verunreinigungen im Fokus.

Ein zunehmend wichtiges Thema ist Life Cycle Analysis – also die Erfassung von Energie- und Stoffflüssen über den ganzen Lebenszyklus von Produkten, um Unternehmen und öffentliche Entscheidungsträger zu beraten. Am Fraunhofer ISE beschäftigt sich ein interdisziplinäres Team mit der Nachhaltigkeitsbewertung (nach ISO 14040/44) entlang der kompletten Wasserstoffproduktionskette von der Erzeugung über den Transport bis zur stofflichen oder energetischen Verwertung in Industrie und Verkehr. Ein diesbezügliches Beispiel ist der Vergleich der CO2-Emissionen von batterieelektrischen Fahrzeugen sowie Diesel- und Wasserstofffahrzeugen und der erstmaligen Berücksichtigung der ausschlaggebenden Vorkette. Das Fraunhofer IPA wiederum bewertet Materialkreisläufe für einzelne wasserstoffbezogene Produkte: Welche Rohstoffe könnten am Markt künftig nicht ausreichend verfügbar sein? Wissen die Hersteller dies frühzeitig, können sie sich rechtzeitig um Lösungen bemühen.