Nutzung von Wasserstofftechnologien in der Industrie, Strom- bzw. Wärmeerzeugung und Mobilität

Zur Erreichung der in Deutschland und Europa gesetzten Klimaziele sind Wasserstofftechnologien unausweichlich. Das gilt vor allem für die Industrie. Daher gibt es seitens der Unternehmen zahlreiche Anstrengungen, etablierte Produktionsprozesse auf Wasserstoff umzustellen und auf eine Wasserstoffwirtschaft hinzuwirken. Im Fokus stehen die Stahl-, Kalk-, Zementherstellung sowie die grüne Chemie. Auch die Stromerzeugung zur Ergänzung volatiler, regenerativer Energien wie Sonne und Wind, rückt in den Blick. Daneben sind Wasserstofftechnologien vor allem zur Erzeugung von Hochtemperaturwärme interessant. Nicht zuletzt für die klimaneutrale Mobilität sind Antriebe auf Basis von Brennstoffzellen oder erneuerbarer Kraftstoffe relevant.

 

Der um Faktor zwei bis drei höhere Ertrag von regenerativen Kraftwerken an global begünstigten Standorten im Vergleich zu Deutschland kompensiert häufig den niedrigeren Wirkungsgrad durch die stoffliche Umwandlung bei Wasserstofftechnologien gegenüber durchgängig elektrischen Prozessketten. Darüber hinaus ermöglichen Wasserstofftechnologien die Energiespeicherung und somit die Verfügbarkeit von Energie unabhängig vom Ort und der Zeit der Stromerzeugung. Schließlich werden durch die stofflichen Energieträger der weltweite Energietransport und Handel möglich.

Unsere Lebenszyklusanalysen von Cradel-to-Grave zeigen, dass alle Wasserstofftechnologien die Anforderungen an Nachhaltigkeit erfüllen mit einem vergleichbaren ökologischen Fußabdruck wie durchgängig elektrifizierte Prozesse. Voraussetzung ist, dass jeweils grüne Technologien zur Erzeugung von Strom oder Kraftstoff eingesetzt werden und die Vorteile einer globalen Lieferkette genutzt werden.

Ebenso ergibt sich aus unseren techno-ökonomischen Betrachtungen eine zu durchgängig elektrischen Prozessen analoge Wirtschaftlichkeit von Wasserstofftechnologien. Hintergrund dafür ist, dass durch Wasserstofftechnologien die weltweit wirtschaftlichsten Standorte für regenerative Energien erschlossen werden können.

Fraunhofer bietet umfangreiche Analysen zu globalen Erzeugungs- und Lieferketten bzw. Technologie-, Wirtschaftlichkeits- und ökologische Studien.

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© Fraunhofer ISE
Teststände zur elektrochemischen Charakterisierung von Membranelektrodeneinheiten für PEM-Brennstoffzellen am Fraunhofer ISE.

Klimaneutrale Industrielle Prozesse

Der Großteil der industriellen prozessbedingten Treibhausemissionen entsteht in der Grundstoffindustrie. Insbesondere umfasst dies die Metallherstellung, die Herstellung mineralischer Erzeugnisse und die Erzeugung von Grundchemikalien. Die Strategie zum Erreichen einer klimaneutralen Produktion unterscheidet sich hierbei je nach Branche.

In der Stahlindustrie kann die CO2-Entstehung bei Rohstahlproduktion durch den Einsatz von Wasserstoff in einem Direktreduktionsverfahren um bis 95 % gegenüber der heutigen Hochofenroute reduziert werden, was vom Fraunhofer IKTS im Rahmen des BMBF-Projekts MACOR in Kooperation mit den Instituten ISI und UMSICHT sowie der Salzgitter AG bereits gezeigt werden konnte.

Möglich wird dies, wenn erneuerbare Energien für die Bereitstellung des benötigten Wasserstoffs mittels Elektrolyseverfahren und die elektrische Energie für die Elektrolichtbogenöfen genutzt werden. Für die Wasserstoffbereitstellung ist hierbei das Hochtemperaturelektrolyse-Verfahren von besonderem Interesse. Demonstratoren für diese Technologie im Maßstab von 100 Kilowatt sind bereits im Einsatz. Nun soll die Überführung bis in den Gigawatt-Maßstab folgen.

Im BMBF-Folgeprojekt BeWiSe arbeiten die genannten Fraunhofer-Institute gemeinsam mit der Salzgitter AG an der Fragestellung, wie die Umsetzung der wasserstoffbasierten Rohstahlproduktion im laufenden Betrieb des Hüttenwerks gelingen kann. Hierbei werden sowohl die experimentellen Grundlagen der Eisenerzreduktion als auch die Stoff- und Energiebilanzen am Hüttenwerk sowie die Fragen der Akzeptanz des Strukturwandels am Standort ganzheitlich betrachtet.

Zur Vermeidung der Restemissionen bei der Stahlproduktion und der Emission von prozessbedingtem CO2 bei der Kalkund Zementherstellung sowie bei der thermischen Abfallbehandlung bieten sich Carbon Dioxid Capture and Utilisation Verfahren (CCU) an. Die Abtrennung des CO2 erfolgt mit Verfahren, wie Aminwäsche oder keramischen Membranen. Zusammen mit „grünem“ Wasserstoff wird ein Synthesegas erzeugt, dass in der chemischen Industrie zur Herstellung zentraler Basischemikalien wie Methanol genutzt werden kann. Die Umsetzung dieser Prozesskette wird u. a. im BMBFVorhaben Carbon2Chem® durch Fraunhofer UMSICHT mit dem Projektpartnern demonstriert.

Im Projekt WaTTh baut das Fraunhofer IKTS basierend auf der eigenen Hochtemperatur-Co-Elektrolyse eine vollautomatisierte Demonstrationsanlage, in der aus CO2 und Wasser flüssige Kohlenwasserstoffe und Wachse über die Fischer- Tropsch-Synthese erzeugt werden. Diese können zum Einsatz in der chemischen Industrie sowie für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen wie e-Kerosin genutzt werden. Die Kapazität der Anlage liegt bei jeweils 8 l an flüssigen Produkten und Wachsen pro Tag. Mittels der entwickelten Tools zur Prozesssimulation arbeiten die Forschenden aktuell am Scale- Up der Verfahren für den industriellen Maßstab.

Emissionsfreie Strom- und Wärmeerzeugung

Aufgrund der Volatilität von Sonne und Wind werden zukünftig dynamisch regelbare Kraftwerke benötigt: hier bieten sich für große Leistungen von Megawatt bis Gigawatt Wasserstoff- Gaskraftwerke an. Schon heute werden wasserstofffähige Turbinen verbaut. Fraunhofer bietet hierzu neben Technologie- und Marktstudien, Materialentwicklungen, Tests sowie Fertigungstechnologien an.

Für niedrigere Leistungen sind Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf Basis von Brennstoffzellen oder auch Wasserstoff- Verbrennungsmotoren interessant, da somit hohe Gesamtwirkungsgrade für Strom und Wärme erreicht werden können. Hier kann Fraunhofer mit Hilfe von Systemsimulationen und Tests von der Material- bis zur Systemebene unterstützen. Nutzung von H Nutzung von H2 2 Im Bereich der industriellen Prozesswärmeversorgung kann der Einsatz von Wasserstoff eine Option speziell für höhere Temperaturanforderungen sowie für schwer direkt elektrifizierbare Prozesse darstellen. Entsprechende bottom-up Analysen zur Abwägung zwischen Elektrifizierung und Wasserstoffeinsatz für die industrielle Prozesswärme hat Fraunhofer UMSICHT für verschiedene Branchen beispielsweise in der Kurzstudie: “Dekarbonisierung der industriellen Prozesswärme im energieintensiven Mittelstand” für den Klimahafen Gelsenkirchen durchgeführt.

Nachhaltiger Verkehr und Transport

Die zukünftige Mobilität muss ohne fossile Kraftstoffe auskommen. Wasserstofftechnologien können batterieelektrische Antriebskonzepte an vielen Stellen sinnvoll ergänzen: Brennstoffzellen liefern den Strom für elektromotorische Antriebe, erneuerbare Kraftstoffe senken die Fahrzeugemissionen bei Verbrennungsmotoren auf ein Minimum. Gemeinsam ist allen Wasserstofftechnologien, dass sie aufgrund hoher Energiedichten in den Tanks hohe Reichweiten bei gleichzeitig den heute gewohnten, kurzen Tankzeiten ermöglichen. Außerdem erfolgt die Betankung der Fahrzeuge unabhängig von Ort und Zeit der Stromerzeugung wie gewohnt an öffentlichen Tankstellen.

Die Fraunhofer-Institute bieten umfangreiche FuE-Leistungen zu Material-, Komponenten- oder Systementwicklung, zur experimentellen Charakterisierung, zu Modellierung und Simulation, zu techno-ökonomischen Studien für Brennstoffzellen, elektromotorischen Antrieben sowie Verbrennungsmotoren, Herstellung von e-Fuels, Tankstellen und Fahrzeugen.

Fraunhofer UMSICHT entwickelt folienbasierte Komposit- Bipolarplatten für Brennstoffzellen sowie dichtungsfreie Zellund Stack-Konzepte. In den Projekten » BiFoilStack – Entwicklung von Stack-Designs für NT-PEM-Brennstoffzellen mit neuartigen Compound-Bipolarfolien« und »H2GO – Nationaler Aktionsplan Brennstoffzellen-Produktion« erforscht Fraunhofer UMSICHT diese neue und potenziell disruptive Technologie entlang der gesamten Fertigungskette. Schwerpunktthemen sind dabei die Entwicklung von Halbzeugen und Systemkomponenten sowie neuartiger, verschweißbarer Zell- und Stack-Konzepte.