Menschen in der Forschung 2022

 

»Wir können nur gemeinsam, als Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, die großen Herausforderungen unserer Zeit angehen und Lösungen entwickeln. Die Menschen dafür zu befähigen –dafür stehe ich.«

Univ.-Prof. Dr. rer. oec. habil.
Katharina Hölzle

 

Diplom-Wirtschaftsingenieurin

Mitglied der Institutsleitung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart

Leiterin des Instituts für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT), Universität Stuttgart

Das Gute an der Krise

Der Innovationsmuskel muss trainiert werden, findet Katharina Hölzle. Durch die hohe Stabilität, die Bequemlichkeit, den Wohlstand der vergangenen Jahre sei uns die geistige und körperliche Flexibilität abhandengekommen. Die Innovationsforscherin und Wirtschaftsingenieurin blickt der gegenwärtigen Multi-Krise mit Zuversicht entgegen: »Die Geschichte der Innovationsforschung zeigt uns: Innovationsschübe kamen stets in Zeiten der großen Krisen.«

Seit April 2022 ist die Professorin Mitglied der Institutsleitung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und Leiterin des Instituts für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) der Universität Stuttgart. Zuvor war sie von 2011 bis 2019 an der Universität Potsdam Professorin für Innovationsmanagement und Entrepreneurship und darauf folgend Leiterin des Fachgebiets IT-Entrepreneurship am Hasso-Plattner-Institut. Die gebürtige Flensburgerin studierte am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Wirtschaftsingenieurwesen und absolvierte an der University of Georgia, Athens, ihren MBA. Promoviert hat sie an der Technischen Universität Berlin, wo sie sich auch habilitierte. Katharina Hölzle war Visiting Professor an der University of International Business and Economics (UIBE) in Peking, der University of Technology Sydney (UTS) und der Macquarie University in Sydney. Vor ihrer akademischen Karriere arbeitete sie in Unternehmen wie Infineon Technologies, Capgemini und in einem US-amerikanischem Start-up. Von 2019 bis 2021 war Professorin Hölzle Mitglied des Hightech-Forums der Bundesregierung und bis Juni 2022 stellvertretende Vorsitzende der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) der Bundesregierung.

Die Essenz des 2022 von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Expertenkommission veröffentlichten Gutachtens beschreibt Katharina Hölzle so: Technologische Souveränität sei zentral für das Wachstum in Deutschland – »eigentlich schon für unser Überleben!«. In den Schlüsseltechnologien sei Deutschland unterschiedlich aufgestellt: in den klassischen Produktions- und Materialtechnologien gut, bei den Bio- und Lebenswissenschaften schwächer. »Wirklich dramatisch ist es bei den digitalen Technologien – da haben wir eigentlich den Anschluss verloren.« Das Bild, das sich aus den Untersuchungen ergeben habe, bereite dem Expertenrat große Sorgen, da heute in jeder Produktions- und Biotechnologie digitale Technologien stecken. Auf diesem Gebiet schnitten die Patentanmeldungen hierzulande deutlich schlechter ab als in den USA oder Asien. Gerade China habe enorm aufgeholt, auch bei den Publikationen oder Gründungsanmeldungen. »Auf den Feldern Big Data, digitale Sicherheit, Mikroelektronik, KI hat Deutschland in den vergangenen Jahren einiges verpasst«, bedauert Hölzle.

Es braucht eine Veränderung in der Unternehmenskultur und auch in der Gesellschaftskultur, findet die Wissenschaftlerin. Wenn die Möglichkeiten, insbesondere die finanziellen, limitiert seien, müssen alte Strukturen aufgegeben werden, um Raum für Neues zu schaffen. »Was wir brauchen, ist die Lust daran, Zukunft zu gestalten«, wirbt die Professorin, der die Interaktion mit den Studierenden sehr am Herzen liegt. Bildung bedeutet für sie Teilhabe und Mitmachen. »Innovationen sind im Zweifel nicht willkommen: Sie sind anstrengend, sie sind anders – womit wir Menschen uns besonders schwertun«. Aber jede und jeder Einzelne müsse sich dem stellen, dass es ein »Weiter so« nicht mehr gibt. Die Wissenschaftlerin setzt einen anderen Imperativ dagegen: »Ich kann etwas tun!«

Video: Prof. Dr. Katharina Hölzle vereint das Beste aus universitärer Lehre und praxisnaher Forschung

Prof. Dr. Katharina Hölzle leitet seit dem 1. April 2022 das Institut für Arbeitswissenschaft (IAT) der Universität Stuttgart und das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Am 27. Oktober 2022 fand ihre Antrittsvorlesung unter dem Titel »The role of the human factor in sustainable digitalization and innovation« statt. Im Video erläutert Katharina Hölzle, warum ihr die Interaktion mit den Studierenden so wichtig ist für ihre Forschungsarbeit und welche Themen und Fragestellungen sie gemeinsam mit den Studierenden vorantreiben möchte.

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