BPM: Mit Geschäftsprozessmanagement aus der Krise
Der globale Wettbewerb und die Auswirkungen der Finanzkrise stellen hohe Anforderungen an eine umfassende Unternehmenssteuerung. Die Geschäftsprozesse müssen nicht nur effizient ablaufen, sondern auch flexibel sein, um schnell auf interne Veränderungen oder neue Marktsituationen reagieren zu können. Mit Business Process Management können Unternehmen diese Ziele leichter erreichen. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Software- und Systemtechnik ISST zeigt, welche Lösung sich für welche Aufgabe am besten eignet.
Immer kürzere Produktzyklen und schnelllebigere globalere Märkte steigern den Wettbewerbsdruck. Unternehmen entwickeln nicht nur laufend neue Produkte und Dienstleistungen, sondern erschließen auch völlig neue Geschäftsfelder. Die Geschäfts- bzw. Produktionsprozesse entwickeln sich dynamischer und werden ständig angepasst, optimiert oder völlig neu entwickelt. Entsprechend müssen die Softwareapplikationen nicht nur Standardabläufe routinemäßig bereitstellen, sondern auch Innovationen und Neuentwicklungen unterstützen.
BPM als methodischer Regelkreis
Eine Schlüsseldisziplin für die Unternehmenssteuerung in Expansions- oder Krisenphasen sowie bei der IT-Konsolidierung ist das Business Process Management (BPM). Strategien, die sich auf kostensenkende Maßnahmen wie Stellenkürzungen oder Budgetstopps beschränken, helfen nur kurzfristig. Unternehmen dagegen, die nachhaltige Kostenreduzierungen oder höhere Produktivität erreichen wollen, gewinnen durch die Integration von IT-Produktionsdaten in das BPM wertvolle Kennzahlen etwa über die Produktivität der Mitarbeiter, die Ressourcensteuerung, Fehlerquoten, Kostenstrukturen, Bearbeitungs- und Liegezeiten oder die Zahl der Rückläufe, die den Erfolg von Prozess-Optimierungen schnell sichtbar werden lassen
Als strategisches Instrument der Unternehmensführung, das Geschäftsprozesse und IT-Infrastruktur besser aufeinander abstimmt, umfasst BPM alle Maßnahmen, die dazu dienen, Geschäftsprozesse zu dokumentieren, zu modellieren, zu überwachen und zu optimieren. Dementsprechend handelt es sich bei BPM auch nicht um eine Technologie, sondern um ein methodisches Vorgehen, das bei kontinuierlicher Anwendung einen Regelkreis darstellt. Auch wenn in einem Unternehmen noch keine Prozessbeschreibungen vorhanden sind, existieren zumindest »de-facto«-Prozesse durch die gelebte Praxis, wie Aufgaben abgearbeitet und weitergegeben werden. Sollen die Abläufe verbessert werden, geschieht diese Modellierung meist unter Einsatz von Software-Werkzeugen wie zum Beispiel der Aris-Umgebung von IDS Scheer oder anderen wie die IBM Business Process Management Suite oder NetWeaver Business Process Management von SAP. Typische BPM-Projekte in den Fachbereichen sind oft Supply-Chain-Optimierungen, Verbesserung des Customer-Service-Levels oder effektivere Vertriebsprozesse.
Aus SAP-Sicht ist BPM eine natürliche Ergänzung zu einer ERP-Standardsoftware. »Mit BPM lassen sich gerade die oftmals regional unterschiedlichen und in hohem Maß wettbewerbsdifferenzierenden Geschäftsprozesse modellieren und automatisieren, die zu spezifisch und dynamisch sind, als dass sie sich in einer ERP Standardsoftware abbilden ließen«, erklärt Harald Nehring, Senior Director Technology Marketing der SAP AG. Business Process Management dürfe aber nicht isoliert betrachtet werden, sonst werde das Rad schnell neu erfunden und schon etablierte Prozesse oft mehr schlecht als recht nachgezeichnet. Werkzeuge zum Prozessmanagement müssten in der Lage sein, bestehende Prozesse in implementierten Systemen zu verstehen und nahtlos in ihre Modelle zu integrieren. »Wir sehen eine zunehmende Verschmelzung von Technologien zur Verwaltung von Geschäftsprozessen, Geschäftsregeln und der Geschäftsanalyse. Damit werden Organisationen in die Lage versetzt, zeitnaher und präziser geschäftsrelevante Ereignisse zu erkennen und direkt durch Anpassung von Regeln oder Prozessen in laufenden Systemen punktgenau zu reagieren«, ist BMP-Spezialist Nehring überzeugt.
Schwierige Auswahl
Seit Beginn des Hype von BPM im Jahre 2005 wurden die existierenden Werkzeuge insbesondere der großen Anbieter rasch zu immer besseren Business Process Management Suiten (BPMS) konsolidiert. Fehlende Funktionalität wurde hinzugekauft oder selbst entwickelt und in die Toolsuite integriert. So sind sehr mächtige integrierte Werkzeug- und Laufzeit-Systeme entstanden.
Zurzeit gibt es mehr als 150 Anbieter von BPM-Lösungen. Da fällt die Auswahl schwer. Das Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST hat deshalb im Auftrag der Bücker GmbH, einem Düsseldorfer Softwareunternehmen, in einer detaillierten Studie drei BPMS qualitativ verglichen, die aus den Angeboten von fünf Anbietern zusammengestellt wurden.
Hierbei wurde insbesondere Wert darauf gelegt, dass die Toolsuiten auch Portale beinhalten, die die manuellen Tätigkeiten innerhalb von Geschäftsprozessen webbasiert unterstützen. Nach eingehender Marktanalyse fiel die Auswahl zum einen auf die IBM WebSphere Toolsuite, zum anderen auf eine kommerzielle Toolsuite aus SAP und IDS Scheer und als drittes auf eine freie Toolsuite aus den Angeboten von Intalio und Liferay. »Der Markt im BPM-Bereich ist noch nicht konsolidiert und befindet sich zurzeit in einer dynamischen Entwicklung«, sagt Dr. Ulrich Springer, in dessen Abteilung die Studie erarbeitet worden ist. »Die tiefgehende qualitative Analyse und Bewertung der drei von uns zusammengestellten Toolsuiten gibt einen konkreten Einblick in den gegenwärtigen Stand der Technik und beleuchtet ihre aktuellen Möglichkeiten und Probleme im Detail.«
Rund 580 Einzelkriterien untersucht
Um die Leistungsfähigkeit der ausgewählten Plattformen aussagekräftig, belastbar und technisch fundiert einschätzen zu können, wurden detaillierte Bewertungskriterien definiert und auf dieser Basis entsprechende Tests der einzelnen Produkte durchgeführt. Der Kriterienkatalog, an dem bis zu zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Jahr lang gearbeitet haben, umfasste rund 580 Einzelkriterien aus den Bereichen Angebot, Prozessunterstützung, Portalunterstützung und Infrastruktur. »Ich kenne weltweit keine Studie, die die BPMS-Tools so ausführlich und fundiert vergleicht wie diese«, sagt Timo Bücker, CEO der Bücker GmbH, der die Studie beauftragt hat. »Sie ist eine hervorragende Entscheidungshilfe für das Management. Für Projektteams dient der mit 580 Punkten umfangreiche Kriterienkatalog als hervorragende Basis auch für den Vergleich weiterer Anbieter. «
Fazit der Studie
Zwar sind, wie die Studie zeigt, die meisten BPMS modular aufgebaut, aber auch die einzelnen Komponenten besitzen schon eine enorme Komplexität und entsprechende Ressourcenanforderungen. Daher bieten die Hersteller in der Regel die Komponenten der Toolsuite in unterschiedlichen Ausbaustufen, Varianten und Lizenzmodellen an. Durch entsprechende bedarfsgerechte Komponentenvariantenauswahl können deshalb Ressourcen und Lizenzkosten eingespart werden.
Aber auch die Frage der Standardkonformität ist im BPM- und Portal-Bereich ein wichtiger Aspekt, um nicht zu sehr von einem Hersteller bzw. einer Technologie abhängig zu werden. Ferner bieten die BPMS gegenwärtig noch keine ausreichende durchgängige Entwurfsunterstützung für prozessorientierte Portalsysteme. »Es gibt somit nicht die beste BPM-Suite am Markt«, betonen die Experten vom ISST. Technische Vollkommenheit im Sinne von umfassender gut integrierter Funktionalität zieht in der Regel hohe Lizenzkosten und hohen Einarbeitungsaufwand nach sich, womit solch eine Suite für den Mittelstand unerschwinglich und ihre Komplexität für viele Anwendungsfälle auch unnötig ist.
Die BPM-Anbieter reagieren darauf mit Werkzeugvarianten und speziellen Mittelstandspaketen. Derzeit steht bei den meisten BPMS-Anbietern jedoch noch die Technik im Vordergrund, die in umfangreichen Software-Paketen angeboten wird, von denen die meisten Kunden nur einen Bruchteil benötigen. Bei der Auswahl einer BPMS kommt es somit auf die konkreten Anforderungen eines Unternehmens an. Spielen Kosten eine dominante Rolle oder ist die agile Anpassung von Prozessen entscheidend, so kann zum Beispiel Intalio BPMS weitgehend risikolos in einem Pilotprojekt ausprobiert werden. Steht dagegen Robustheit, Skalierbarkeit und problemloser Betrieb der Anwendung im Vordergrund, so bietet sich eher IBM WebSphere und ARIS / SAP NetWeaver an. ARIS erscheint im Modellierungs- und Controlling-Bereich derzeit etwas mächtiger als IBM Web-Schere, SAP NetWeaver ist eher vergleichbar, die Integration beider Anbieter scheint jedoch die Agilität eher noch mehr zu behindern als dies bei IBM WebSphere der Fall ist. Die BPMS sind derzeit also noch IT-lastig und relativ schwer beherrschbar, aber eine neue Generation (Business Process Plattform – BPP) ist in Vorbereitung bzw. schon verfügbar, bei der Agilität und Zusammenarbeit zwischen Business und IT mehr und mehr in den Vordergrund rückt.
Die Tatsache, dass es noch relativ wenige wirklich prozessorientierte Unternehmen und Prozessverantwortliche gibt, liegt an historisch gewachsenen Organisationsstrukturen, in denen die Fachbereiche nur für ihre eigenen Ziele und noch zu wenig für den Gesamtprozess verantwortlich waren. Hier liegt eine große Chance für den Mittelstand. Denn mittelständische Unternehmen haben aufgrund ihrer flachen Hierarchien und kurzen Entscheidungswege die Chance, prozessorientierte Organisationsstrukturen schneller und mit weniger internen Widerständen einzuführen. Hier kann das ISST interessierte Unternehmen bei der Auswahl und Implementierung eines BPM-Systems unterstützen.
Eine Kurzfassung der Studie kann kostenlos unter www.it-director.de/startseite/studien.html heruntergeladen werden.