Nachhilfe in Galvanik
Ob technische Vernicklung oder dekorative Verchromung – galvanische Beschichtungen findet man in Produkten vom Handy bis zum Auto. Viele Hersteller setzen auf Zulieferer in Niedriglohnländern. Die falsche Wahl führt zu teuren Lieferengpässen. Fraunhofer-Forscher unterstützen Unternehmen, die in punkto galvanischer Beschichtung Qualität und Know-how zukaufen wollen.
Extreme Anlaufprobleme hatte ein Unternehmen aus der Telekommunikationsbranche, das in China fertigen lässt, bei der Produktion eines neuen Vorserienmodells. Der Zulieferer hatte die Technik für die galvanische dekorative Beschichtung der Gehäuse nicht im Griff. Zwei Experten des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA flogen im Auftrag des deutschen Produzenten nach China und analysierten vor Ort, warum Ausschuss produziert wurde. Drei Tage liefen die Fachleute durch die Produktionsanlagen, untersuchten einzelne Prozess-Schritte sowie die Anlagentechnik und brachten die Produktion wieder ans Laufen. »Bei Störungen oder schlechter Qualität können die Ursachen in der Verfahrens-, der Anlagentechnik oder im Zusammenspiel der beiden liegen, deshalb ist Kompetenz in beidem gefordert«, erklärt Dr.-Ing. Martin Metzner, Abteilungsleiter Schichttechnik am IPA.
Die Nachfrage nach beschichteten Produkten ist groß. Optisch wie haptisch hochwertige Oberflächen von Kunststoff- oder Metallbauteilen sind bei Kunden gefragt. Autos tragen wieder Chrom, außen und innen. Darüber hinaus ist der Schutz von Metallteilen vor Korrosion ein Muss. Dies erreicht die Galvanotechnik, die elektrochemische Abscheidung von metallischen Niederschlägen auf Metall- oder Kunststoffteilen.
Die IPA-betrachten gesamte FuE-Kette der Galvanik, von der Verfahrensentwicklung bis zur industriellen Anlagentechnologie. »Diese Breite und innerhalb der Oberflächentechnik die Fokussierung auf die Galvanotechnik ist eines unserer wesentlichen Alleinstellungsmerkmale. Wir kennen nicht nur die chemischen Prozesse, sondern haben Wissen über die Prozessabläufe, die Anlagentechnik und auch die Peripherie, also den Teilefluß in der Produktionsanlage, und die Qualitätsprüftechnik am Ende«, betont Fraunhofer-Experte Metzner.
Probleme wie beim chinesischen Zulieferer sind oft die Folge von Wechselwirkungen zwischen einer Beschichtungsanlage und dem chemischen Abscheideprozess. Diese können entweder zusammenwirken oder gegeneinander arbeiten, was die Qualität der Beschichtung stark beeinflusst.
Die Planung von galvanischen Anlagen ist in aller Regel ein Vorgang, der in anwendenden Betrieben selten vorkommt. Zudem fällt er meist nicht in das Arbeitsfeld und in die Kompetenzen der Betreiber. Aufgrund der Langlebigkeit galvanischer Anlagen wirken sich Fehlplanungen besonders drastisch und langfristig aus. »Wir bieten Planungsprojekte für galvanische Anlagen auf zwei Ebenen an. Einerseits die Optimierung vorhandener Anlagen wie im Beispiel des chinesischen Zulieferers, andererseits die Neuplanung ganzer galvanischer Fertigungen«, zählt Metzner auf.
Auswahl des Zulieferers
Das IPA unterstützt Unternehmen aber nicht nur bei der Verfahrenstechnik und dem Anlagenbau, sondern auch bei der Auswahl des richtigen Zulieferers. »Abnehmer von beschichteten Teilen ohne eigene Beschichtungstechnik benötigen eine neutrale Betrachtung und Qualifizierung ihrer Lieferanten. Wir führen im Auftrag solcher Abnehmer »Line Assessments« bei einzelnen Betrieben in laufenden Produktionen durch oder vergleichen mehrere Betriebe vor der Vergabe der entsprechenden Lieferantenaufträge«, erläutert Metzner.
Eine europäische Firma aus dem Automotive-Bereich zum Beispiel benötigte in großer Stückzahl mit Chrom beschichtete dekorative Teile aus Kunststoff für die Innenausstattung eines neuen Automodells. Ohne eigenes Know-how in der Galvanik mußte der Hersteller für die Fertigung ein geeignetes Unternehmen als Zulieferer auswählen. Zwei Experten des IPA waren deshalb sechs Tage lang in China unterwegs und prüften intensiv die Verfahrens- und Anlagentechnik sechs möglicher Unternehmen. Anschließend gaben sie ihr Fachurteil ab, wem man die Produktion grundsätzlich zutrauen könne und wo es Nachholbedarf gibt. Der Aufwand von 28000 Euro für sechs Expertentage vor Ort und zwei Tage Reisezeit war gut angelegtes Geld bei einem Bestellwert in zweistelliger Millionenhöhe. »In beiden Beispielen ging es darum, Unternehmen zu unterstützen, die für die Qualität der Beschichtung gerade stehen müssen, diese aber zukaufen und keine eigene Kompetenz in der galvanischen Beschichtung haben«, fasst Metzner zusammen.
- www.ipa.fraunhofer.de (ipa.fraunhofer.de)