Einfach, schnell und effektiv dank Blockchain

T-Shirts aus Bangladesch, Kaffee aus Kolumbien, Computer aus China der weltweite Warenhandel hat vor allem in den letzten drei Jahrzehnten rasant zugenommen. Doch noch immer sind Geschäfte über Landesgrenzen hinweg erstaunlich aufwendig und mit viel Papierkram verbunden. Mit Hilfe der Blockchain-Technologie könnte der Außenhandel bedeutend vereinfacht und beschleunigt werden.

Wenn ein deutsches Unternehmen Tablets in China bestellt, wird das Geschäft in der Regel mittels eines sogenannten Akkreditivs abgesichert: Zwei Banken, je eine auf Seiten des Exporteurs und Importeurs, überwachen als neutrale Instanzen den Handel. Sie garantieren, dass der Exporteur bei vertragsgemäßer Lieferung sein Geld bekommt und der Importeur erst zahlen muss, wenn die Ware fristgerecht in vereinbarter Menge und Qualität auf dem Weg zu ihm ist. Der Exporteur muss den vertragsgerechten Ablauf des Geschäfts anhand zahlreicher Dokumente belegen, beispielsweise mit Hilfe von diversen Lade- und Transportpapieren und der Packliste. Diese Dokumente werden heute immer noch auf dem Postweg versandt – ein Austausch per E-Mail lehnen Banken und Handelspartner wegen der Manipulationsanfälligkeit ab.

»Der Papierkram verursacht in manchen Fällen mehr Kosten als die eigentliche Warenlieferung«, sagt Prof. Dr. Gilbert Fridgen vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, der Vertreter aus Wirtschaft und Industrie in Workshops mit der Blockchain-Technologie vertraut macht. Zusammen mit Experten der Norddeutschen Landesbank haben Fridgen und sein Team vom Fraunhofer-Blockchain-Lab einen Prototyp für die Abwicklung des weltweiten Warenhandels entwickelt, der Papier überflüssig macht. Denn mit Hilfe von Blockchain kann jeder Schritt des internationalen Geschäfts sicher, transparent und nachvollziehbar dokumentiert werden – von der Auftragserteilung bis hin zur Warenlieferung.

Dezentrale Datenbank

Eine Blockchain ist eine Art dezentrale Datenbank. Jeder Blockchain-Teilnehmer speichert den vollständigen Datensatz in Form von Blöcken, die miteinander kryptografisch verknüpft sind. Werden neue Daten hinzugefügt, wird die Blockchain bei allen Teilnehmern über ein Abstimmungsverfahren aktualisiert. »Dieses dezentrale Abstimmungsverfahren sorgt in Verbindung mit der kryptografischen Verknüpfung der Blöcke dafür, dass die Daten in einer Blockchain nicht manipulierbar sind«, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Prinz, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer FIT. Würde jemand versuchen, Inhalte der Blockchain zu ändern, würde dies sofort von allen anderen Teilnehmern erkannt.

In einer Blockchain lässt sich jeder Schritt eines Prozesses mit allen dazugehörigen Daten und Dokumenten sicher und irreversibel festhalten – ideal für den internationalen Warenhandel, aber auch für zahlreiche andere Anwendungen wie die unternehmensinterne Dokumentation. »Revisionen könnten wesentlich schneller, einfacher und kostengünstiger vonstattengehen, wenn alle prüfungsrelevanten Dokumente in eine Blockchain eingeschrieben würden«, sagt Fridgen. Denn aus ihr ginge zweifelsfrei hervor, wer was wann wie getan habe. »Hier haben eigentlich alle unsere Workshop-Teilnehmer aufgehorcht. Vor allem in stark regulierten Branchen geht der Aufwand für Revisionen häufig in die Millionen.«

Generell ist Blockchain insbesondere für Unternehmen interessant, deren Geschäftsmodelle auf Vertrauenspositionen basieren. »Ersetzen kann Blockchain Banken, Notare oder Wirtschaftsprüfer noch nicht. Die Technologie  bietet aber in diesen Bereichen sehr viel Potenzial«, sagt Prinz. Viele Geschäftsmodelle müssten überdacht und neu ausgerichtet werden. Blockchain kann Arbeitsabläufe einfacher, schneller, sicherer und effizienter machen. Das lässt sich nicht nur für das Außenhandelsgeschäft gewinnbringend nutzen, sondern auch für andere Zug-um-Zug-Geschäfte, wo die Vertragsparteien heute immer noch Formulare ausfüllen, ausdrucken und auf Sicherheiten warten müssen.

Eine weitere Stärke von Blockchain: In Verbindung mit speziell programmierten Software-Mechanismen, sogenannten Smart Contracts, können Vertragskonditionen automatisch ausgeführt werden, sobald die hinterlegten Bedingungen eintreten. So könnte die Autotür des Leasing-Wagens sich öffnen oder verschlossen bleiben, je nachdem ob die Zahlung der vereinbarten Rate in der Blockchain festgeschrieben und verifiziert wurde oder nicht. Diese automatisierte Leistung und Gegenleistung würde Gerichte zur Durchsetzung von Ansprüchen überflüssig machen, da ein Vertragsbruch technisch unmöglich wird.

Auch für Anbieter von Online-Handelsplattformen ist Blockchain eine Herausforderung. Denn mit der neuen Technologie ließen sich sichere Transaktionen zwischen Käufer und Verkäufer direkt abwickeln – ohne zusätzlichen Schutz durch den Plattformbetreiber. »Mit der Blockchain-Technologie könnte man eine neue Generation des Internets begründen. Zum Internet der Dinge, von dem wir zurzeit sprechen, kommt ein Internet des Vertrauens und der Werte hinzu«, glaubt Prinz.

Sicherer Herkunftsnachweis

Für die Logistik-Branche ist Blockchain weniger bedrohlich als attraktiv: Eine Transportkette ließe sich lückenlos dokumentieren und so die Echtheit des versendeten Objekts garantieren. »Für Diamantentransporte gibt es bereits eine Blockchain-Lösung«, so Prinz. Mit Hilfe von Blockchain ließe sich auch die Herkunft von Medikamenten oder Lebensmitteln sicher nachweisen und überprüfen, ob beispielsweise die Kühlung während des gesamten Transports gewährleistet war.

Im Fraunhofer-Blockchain-Lab arbeiten Prinz und Fridgen zusammen mit ihren Kollegen Prof. Dr. Thomas Rose, Prof. Dr. Nils Urbach und ihren Teams an den verschiedensten Anwendungen. Entwickelt wurde unter anderem eine Musicbox, die die Abstimmung der Musikwünsche innerhalb einer Gruppe mittels Blockchain umsetzt – ein unterhaltsamer Einstieg in die Blockchain-Welt, der den Interessenten aus Wirtschaft und Industrie die Grundfunktionen der Technologie näherbringt. In einem weiteren Projekt wird die von FIT und OrbiTeam entwickelte Groupware-Plattform BSCW als Blockchain-Lösung programmiert, wodurch eine Registrierung von Dokumenten und Kooperationsprozessen möglich wird. So kann deren Zustand irreversibel festgehalten und nachträglich geprüft werden.

»Gemeinsam mit unseren Workshop-Teilnehmern haben wir bereits zahlreiche mögliche Anwendungen identifiziert. Wir arbeiten zwar erst mit Prototypen, aber die Entwicklung kann sehr schnell gehen. Es ist daher wichtig, jetzt zu handeln, Geschäftsmodelle an die neue Technologie anzupassen und Prozesse mit ihrer Hilfe zu optimieren«, betont Fridgen.

Fraunhofer-Positionspapier

Erschienen im November 2017

Blockchain und Smart Contracts – Technologien, Forschungsfragen und Anwendungen

Blockchain und Smart Contracts – Technologien, Forschungsfragen und Anwendungen

Dieses Positionspapier analysiert die Blockchain-Technologie aus wissenschaftlicher und anwendungsorientierter Sicht der Fraunhofer-Gesellschaft. Es untersucht relevante Technikaspekte und damit verbundene Forschungsfragen. Dabei zeigt sich, dass die Technik in allen Bereichen noch grundlegende Forschungs- und Entwicklungsherausforderungen aufweist. Diese liegen beispielsweise in der Modularisierung einzelner Blockchain-Konzepte sowie deren Kombination und Integration für anwendungsspezifische Blockchain-Lösungen.

 

White Paper Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT

Blockchain: Grundlagen, Anwendungen und Potenziale