Quantensensorik

Leonhard Schmieder
© Sebastian Arlt
Wie läuft‘s? Leonhard Schmieder hat am Fraunhofer IPM ein auf Quantensensorik basierendes Verfahren entwickelt, um den Durchfluss in Rohren zu messen.

Quantensensorik: Alles im Fluss

Schneller als alle anderen Quantentechnologien schafft die Quantensensorik bereits konkrete Mehrwerte in der industriellen Anwendung. Sie nutzt den Elektronenspin von Alkaliatomen, um kleinste Magnetfelder sichtbar zu ma­chen. Mit quantenbasierter Technologie lassen sich bei­spielsweise Magnetfelder von Stoffen messen, die für her­kömmliche Messtechnik un­sichtbar sind. Ein konkretes Anwendungsszenario hat Le­onhard Schmieder vom Fraun­hofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg für die Durchflussmessung in Rohren erfunden. Überall, wo in industriellen Prozessen Flüssigkeiten durch Leitungen fließen, muss für einen rei­bungslosen Ablauf ihr Durch­fluss gemessen werden. Dafür gibt es zwar bereits erprobte Lösungen am Markt, die aber auch entscheidende Nach­teile haben. Entweder funktionieren sie bei Luft- oder Gaseinschlüssen nicht zuverlässig, sind abhängig von der Leitfähigkeit des Mediums, müssen aufwendig in das Rohr integriert werden oder geraten in direkten Kontakt mit dem zu messenden Medium.

»Unser Verfahren bietet besonders großen Nutzen in Bereichen, in denen eine genaue, berührungsfreie bezie­hungsweise nicht-invasive Lösung wichtig ist«, erklärt Schmieder. »Das betrifft beispielsweise Treibstoffe, Sei­fenlaugen, Öle, Kühlflüssigkeiten oder auch Lebensmittel und flüssigen Wasserstoff.« Die einzige Voraussetzung: Das Medium muss gebundenen Wasserstoff enthalten, weil dessen Kernspins starke Signale für die Messung liefern. Zudem kommt er fast überall vor. Um diese aus­zulesen, nutzen Schmieder und sein Team sogenannte optisch gepumpte Magnetometer, wie sie aufgrund ihrer konkurrenzlosen Sensitivität zum Beispiel in der Gehirn­stromforschung (Magnetoenzephalographie) zur Anwen­dung kommen. Die Flüssigkeit wird zunächst magnetisiert und danach durch eine Störung des Magnetfelds markiert. Diese magnetischen Markierungen werden dann in einer Laufzeitmessung erfasst. Die magnetische Messtechnik dafür passt in einen Kasten, klein wie ein Zuckerwürfel, der außen am Rohr angebracht wird. Der Zuckerwürfel liest die winzigen magnetischen Änderungen selbst durch Stahl und Kunststoff hindurch aus.

Diese neue, patentierte Herangehensweise bietet auch weitere Möglichkeiten: »Mit unserer Methode können wir nicht allein die Fließgeschwindigkeit messen, sondern es lassen sich weitere wertvolle Informationen auslesen, die bisher nicht berührungslos erfasst werden konnten«, so Schmieder. »Denkbar wäre etwa eine Flussprofildetektion oder eine mehrphasige Durch­flussmessung, also wenn man beispielsweise Öl, Wasser und Gas gleichzeitig messen möchte.« Ein weiterer Vorteil: Das Mess­gerät soll nicht nur fest installiert werden können, sondern auch als mobiles Monitoring-Werk­zeug dienen. Damit könnte man punktuell die Flussgüte prüfen und Ablagerungen im Rohr sichtbar machen. »Diese neuen Möglichkeiten könnten die Art und Weise, wie Flüssigkeiten in der Industrie überwacht werden, grundlegend verändern«, ist der Forscher überzeugt.