Quantencomputing

Dr. Jeanette Lorenz
© Sebastian Arlt
Wie lässt sich das Stromnetz stabil halten? Dr. Jeanette Lorenz forscht am Fraunhofer IKS an konkreten Anwendungsfällen für Quanten-computer.

Quantencomputing: Am besten im Team

Auf Quantencomputern ruhen die größten Hoffnungen. Durch ihre fundamental andere Rechenweise könn­ten sie Probleme lösen, an denen klassische Computer scheitern. Um einen echten Mehrwert zu schaffen, sind heutige Rechner zwar noch zu begrenzt und fehlerbe­haftet. Doch gab es in jüngster Zeit große Fortschritte. Die empfindlichen Qubits – seien es Supraleiter, Atome, Photonen oder Ionenfallen – unterliegen thermischen, elektromagnetischen oder sonstigen Einflüssen, die zu Berechnungsfehlern und Rauschen führen. Um diese Fehler zu korrigieren, sind weitere Qubits auf dem Chip nötig, die den dazu nötigen Code ausführen. Das Problem: Die heute verfügbare Anzahl an Qubits reicht dafür längst nicht aus. Zudem steigt mit je­der zusätzlichen fehleranfälligen Recheneinheit auch die Fehler­quote wieder an.

Einen echten Quantensprung in höhere Qubit-Sphären ver­spricht Microsoft mit seinem im Februar vorgestellten neuartigen Quantenchip »Majorana 1«, der auf sogenannten topologischen Qubits basiert. »Prinzipiell könn­te es diese neue Technologie er­lauben, Millionen Qubits auf einem Chip zu platzieren, die auch viel robuster sind als bis­her«, ordnet Dr. Jeanette Lorenz, Quantenforscherin am Fraun­hofer-Institut für Kognitive Systeme IKS, vorsichtig op­timistisch ein. Bisher habe man aber noch keine Rechen­operationen oder -algorithmen auf den produzierten Chips gezeigt. Wenn das funktioniert, könnte sich die Entwicklung praktikabler Quantenrechner von Jahr­zehnten auf wenige Jahre verkürzen. »Bis dahin ist Bench­marking eine wichtige Aufgabe – nicht nur für die In­dustrie, um das Potenzial wirklich einschätzen zu können, sondern auch für die Quantencommunity selbst, um zu wissen, in welche Richtung man etwa Software weiterentwickeln muss.«

 

Fehlertolerante und anwendungsfreundliche Software

Quantensoftware ist das Forschungsgebiet von Jeanette Lorenz und ihrem Team. Bis die Qubits selbst weniger feh­leranfällig sind, wollen sie die Algorithmen so anpassen, dass sie mit den Hardware-Fehlern zurechtkommen. Mit fünf Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft verfolgen sie im Projekt QUAST das Ziel, Unternehmen Quanten­computing unkompliziert zugänglich zu machen. Dabei fokussieren sich die Forschenden auf industrielle Optimie­rungsprobleme, für die es heute noch keine perfekte Lösung gibt.

»Um eine bestimmte Frage­stellung lösen zu können, müs­sen wir zunächst verstehen, wel­cher Algorithmus zu welcher Hardware passt, also wie man ein konkretes, industrielles Op­timierungsproblem überhaupt in einen Quantencomputer ein­lesen kann«, beschreibt Lorenz die Herausforderung. Entschei­dend ist dabei der Software- Stack, also die geschichtete Struktur aller Komponenten, die für Entwicklung, Betrieb und Einsatz von Quantencomputern nötig sind. Auf der obersten Ebe­ne des Stacks wird der jeweilige Anwendungsfall abgebildet. Auf den unteren Ebenen er­folgt die Anbindung an die jeweilige Hardware. Bislang geht man davon aus, dass sich unterschiedliche Hardware mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen für unterschied­liche Anwendungsfälle eignen wird. Deshalb arbeiten die Forschenden auch mit verschiedenen Hardware-Anbie­tern zusammen. »Wir wissen, dass etwa Ionenfallen lang­samer sind als supraleitende Qubits, deshalb passen sie tendenziell eher für solche Fragestellungen, wo wir es uns erlauben können, dass die Maschine langsamer, aber da­für genauer rechnet.« Als Beispiel nennt Lorenz die Si­mulation von Molekülen.

Eine Anwendung von vielen, die sich ihr Forschungs­team im Rahmen von QUAST angesehen hat, ist die Op­timierung von Stromnetzen. Hier gilt es, verteilte, unter­schiedliche und sehr volatile Energiequellen im Stromnetz auszutarieren. Die Frage, die klassische Com­puter mit zunehmender Komplexität weniger lösen kön­nen, lautet: Wann muss man Stromquellen dazuschalten oder auch abschalten, um das Netz stabil zu halten? Quan­tencomputer könnten bei solchen kombinatorischen Op­timierungsproblemen perspektivisch unterstützen – aber nicht allein: »Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass Quantenprozessoren vielmehr eine neue Processing Unit sein werden, statt ein eigenes unabhängiges Sys­tem«, so Lorenz. »Künftig wird man sie vermutlich im Orchester mit einem klassischen High-Performance-Sys­tem betreiben. Deshalb ist die Anbindung so wichtig, um je nach Fragestellung zwischen beiden wechseln zu können.«

Ein Ergebnis aus QUAST ist ein ganz konkreter Ent­scheidungsbaum mit Lösungspfaden für solche Optimie­rungsprobleme. Der erlaubt es Unternehmen, sich selbst eine quantengestützte Lösung aus unterschiedlichen Kompo­nenten zusammenzubauen, die ihr Anwendungsproblem auto­matisiert löst. »Sie brauchen kei­ne eigenen Quantenexperten, sondern werden durch den gan­zen Prozess geleitet und wissen so, welcher Algorithmus zu wel­cher Fragestellung passt«, erklärt Jeanette Lorenz. Interessiert da­ran sind sowohl Unternehmen, die damit ihre eigenen Prozesse optimieren möchten, etwa in der Automobilindustrie, als auch Software-Anbieter, die die Er­kenntnisse in ihre Software- Tools einbauen wollen.