Quantenkommunikation

Dr. Thorsten Goebel
© Sebastian Arlt
Feind hört mit? Am Fraunhofer IOF forscht Dr. Thorsten Goebels Team an quantenbasierter Verschlüsselung für abhörsichere Kommunikationsnetze.

Quantenkommunikation: Lichtteilchen sichern Netzwerke

Für ein ganz anderes Quantenexperiment stieg im März ein Flugzeug in die Luft. Es geht um das dritte einer Reihe von Schlüsselexperimenten der Initiative QuNET. Deren Ziel ist der sichere Informationsaustausch zwischen Be­hörden. An neuen Möglichkeiten dafür forscht ein Team aus den Fraunhofer-Instituten für angewandte Optik und Feinmechanik IOF und für Nachrichtentechnik, Hein­rich-Hertz-Institut, HHI sowie dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR, dem Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts MPL und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. In einer an­gespannten geopolitischen Lage und mit aufkommenden Techno­logien wie Quantencomputern, die bisherige Verfahren der Ver­schlüsselung knacken können, ist dies wichtiger denn je für die nati­onale Sicherheit. Neben Behörden könnten aber auch Banken oder große Datencenter von den neu­en Möglichkeiten der Quanten­kommunikation profitieren und sensible Daten zusätzlich darüber verschlüsseln.

 

Um bestehende Kommunika­tionsnetzwerke durch Quanten­schlüsselverteilung (QKD) zu sichern, nutzen die For­schenden Quantenzustände, die nicht unbemerkt ausgelesen oder kopiert werden können. Von einer Quan­tenquelle erzeugte Lichtpulse lassen sich als Schlüssel, die nur dem Sender und Empfänger bekannt sind, zwi­schen zwei Orten austauschen. Dabei würde eine Mani­pulation oder ein Abhören der Lichtpulse sofort erkannt werden. Man kann die Photonen entweder durch soge­nannte dunkle Glasfasernetze leiten oder, um größere Distanzen ab 200 Kilometern zu überwinden, via Frei­strahl zum Beispiel von Satelliten zur Erde schicken. Oder beides kombiniert.

»In verschiedenen Schlüsselexperimenten mit auf­einander aufbauender, steigender Komplexität demons­trieren wir die bisherigen Technologieentwicklungen«, erklärt Dr. Thorsten Goebel, der als Gruppenleiter die Qu­NET-Aktivitäten am Fraunhofer IOF zusammenführt. Vor vier Jahren begann das Forscherteam mit einer ein­fachen Punkt-zu-Punkt-Ver­bindung zwischen zwei Gebäu­den in Bonn. Im vergangenen Jahr demonstrierte ein zu­kunftsweisendes Experiment in der Region Berlin, dass es möglich ist, die Behördenkom­munikation in einem komple­xen, städtischen Netzwerk mit mehreren Nutzenden quanten­gesichert zu verschlüsseln. Da­für wurden sechs Netzwerk­knoten an Standorten des Fraunhofer HHI, der Deutschen Telekom sowie der Bundesdru­ckerei mit 125 Kilometern Glasfaserstrecke und zusätzlichen Freistrahlverbindun­gen verknüpft. Als praxisnaher Anwendungsfall diente die Übertragung beispielhafter Ausweisdaten zwischen verschiedenen Behörden und Bürgern. »Wir konnten zei­gen, wie unsere Systeme in heterogenen Netzstrukturen stabil zusammenarbeiten und kritische Schnittstellen funktionieren, um den Austausch von Personendaten mit Lichtquanten zu verschlüsseln«, freut sich Thorsten Goe­bel. Schnittstellen sind dabei die größte Herausforderung, sowohl zwischen Freistrahl und Glasfaser als auch zwi­schen Systemen. »Es ist ganz essenziell, dass wir uns auch weiterhin über Standardisierung von Schnittstellen im europäischen Kontext unterhalten.«

Im nächsten Schlüsselexperiment soll nun demons­triert werden, wie sich eine quantengesicherte Kommu­nikationsverbindung zwischen einem fliegenden Flug­zeug und einer mobilen Bodenstation aufbauen und schließlich an ein Glasfasernetz anbinden lässt. Die flie­genden Lichtteilchen sollen zusätzlich am Ende auch an eine Ionenfalle übertragen werden, die als stationärer Quantenspeicher dient. Die Forschenden wollen damit die Reichweite fasergebundener Quantenkommunika­tion in Zukunft erhöhen, ohne dass Daten in sicherheits­kritischen Zwischenstationen ausgelesen werden müssten. Mit dem mobilen Setup könnten zukünftig Glasfaserlü­cken überbrückt und zum Beispiel sicherheitsrelevante Veranstaltungen wie ein G7-Gipfel in den Alpen durch eine Adhoc-Freistrahlverbindung abhörsicher gemacht werden. Die mobile Bodenstation in Größe eines kleinen Seecontainers fängt mit einem Periskop die Signale von der Quantenquelle im Flugzeug ein. Ein Teleskop stabi­lisiert und bündelt sie, um sie weiterzuleiten.

Statt eines Flugzeuges kann perspektivisch auch ein Satellit noch längere Distanzen überbrücken. Für die zu­künftige Forschung an Satelli­tenverbindungen für die Quan­tenkommunikation baut das Fraunhofer IOF in Jena auf sei­nem Neubau derzeit eine opti­sche Bodenstation, die ein sta­tionäres Empfängerteleskop beherbergen soll. Dieses soll eigene Teleskop-Entwicklungen ermöglichen und als Baustein für ein globales Quantennetz­werk fungieren. Doch nicht nur die Forschung muss hier inves­tieren: »Um die Quantenkom­munikation weiter voranzubrin­gen, müssen wir schnell in die Anwendung kommen«, wünscht sich Goebel. »Hier könnten zum Beispiel Bundesbehörden nicht nur als Fördermittelgeber, sondern als Early Adopter vorangehen.« Die Zeit dafür drängt, denn das Bedrohungspotenzial durch Cyberan­griffe und Abhöraktionen wächst mit den technischen Möglichkeiten, auch durch Quantencomputer. Und ähn­lich wie diese wird auch die Quantenverschlüsselung künf­tig kaum allein zum Einsatz kommen: »Um maximale Si­cherheit zu erzielen und Systeme resilienter zu machen, ist es sinnvoll, hybride Ansätze in der Datenverschlüsse­lung zu verfolgen und die Quantenschlüsselverteilung mit Post-Quantenkryptographie zu kombinieren.«