Um bestehende Kommunikationsnetzwerke durch Quantenschlüsselverteilung (QKD) zu sichern, nutzen die Forschenden Quantenzustände, die nicht unbemerkt ausgelesen oder kopiert werden können. Von einer Quantenquelle erzeugte Lichtpulse lassen sich als Schlüssel, die nur dem Sender und Empfänger bekannt sind, zwischen zwei Orten austauschen. Dabei würde eine Manipulation oder ein Abhören der Lichtpulse sofort erkannt werden. Man kann die Photonen entweder durch sogenannte dunkle Glasfasernetze leiten oder, um größere Distanzen ab 200 Kilometern zu überwinden, via Freistrahl zum Beispiel von Satelliten zur Erde schicken. Oder beides kombiniert.
»In verschiedenen Schlüsselexperimenten mit aufeinander aufbauender, steigender Komplexität demonstrieren wir die bisherigen Technologieentwicklungen«, erklärt Dr. Thorsten Goebel, der als Gruppenleiter die QuNET-Aktivitäten am Fraunhofer IOF zusammenführt. Vor vier Jahren begann das Forscherteam mit einer einfachen Punkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen zwei Gebäuden in Bonn. Im vergangenen Jahr demonstrierte ein zukunftsweisendes Experiment in der Region Berlin, dass es möglich ist, die Behördenkommunikation in einem komplexen, städtischen Netzwerk mit mehreren Nutzenden quantengesichert zu verschlüsseln. Dafür wurden sechs Netzwerkknoten an Standorten des Fraunhofer HHI, der Deutschen Telekom sowie der Bundesdruckerei mit 125 Kilometern Glasfaserstrecke und zusätzlichen Freistrahlverbindungen verknüpft. Als praxisnaher Anwendungsfall diente die Übertragung beispielhafter Ausweisdaten zwischen verschiedenen Behörden und Bürgern. »Wir konnten zeigen, wie unsere Systeme in heterogenen Netzstrukturen stabil zusammenarbeiten und kritische Schnittstellen funktionieren, um den Austausch von Personendaten mit Lichtquanten zu verschlüsseln«, freut sich Thorsten Goebel. Schnittstellen sind dabei die größte Herausforderung, sowohl zwischen Freistrahl und Glasfaser als auch zwischen Systemen. »Es ist ganz essenziell, dass wir uns auch weiterhin über Standardisierung von Schnittstellen im europäischen Kontext unterhalten.«
Im nächsten Schlüsselexperiment soll nun demonstriert werden, wie sich eine quantengesicherte Kommunikationsverbindung zwischen einem fliegenden Flugzeug und einer mobilen Bodenstation aufbauen und schließlich an ein Glasfasernetz anbinden lässt. Die fliegenden Lichtteilchen sollen zusätzlich am Ende auch an eine Ionenfalle übertragen werden, die als stationärer Quantenspeicher dient. Die Forschenden wollen damit die Reichweite fasergebundener Quantenkommunikation in Zukunft erhöhen, ohne dass Daten in sicherheitskritischen Zwischenstationen ausgelesen werden müssten. Mit dem mobilen Setup könnten zukünftig Glasfaserlücken überbrückt und zum Beispiel sicherheitsrelevante Veranstaltungen wie ein G7-Gipfel in den Alpen durch eine Adhoc-Freistrahlverbindung abhörsicher gemacht werden. Die mobile Bodenstation in Größe eines kleinen Seecontainers fängt mit einem Periskop die Signale von der Quantenquelle im Flugzeug ein. Ein Teleskop stabilisiert und bündelt sie, um sie weiterzuleiten.
Statt eines Flugzeuges kann perspektivisch auch ein Satellit noch längere Distanzen überbrücken. Für die zukünftige Forschung an Satellitenverbindungen für die Quantenkommunikation baut das Fraunhofer IOF in Jena auf seinem Neubau derzeit eine optische Bodenstation, die ein stationäres Empfängerteleskop beherbergen soll. Dieses soll eigene Teleskop-Entwicklungen ermöglichen und als Baustein für ein globales Quantennetzwerk fungieren. Doch nicht nur die Forschung muss hier investieren: »Um die Quantenkommunikation weiter voranzubringen, müssen wir schnell in die Anwendung kommen«, wünscht sich Goebel. »Hier könnten zum Beispiel Bundesbehörden nicht nur als Fördermittelgeber, sondern als Early Adopter vorangehen.« Die Zeit dafür drängt, denn das Bedrohungspotenzial durch Cyberangriffe und Abhöraktionen wächst mit den technischen Möglichkeiten, auch durch Quantencomputer. Und ähnlich wie diese wird auch die Quantenverschlüsselung künftig kaum allein zum Einsatz kommen: »Um maximale Sicherheit zu erzielen und Systeme resilienter zu machen, ist es sinnvoll, hybride Ansätze in der Datenverschlüsselung zu verfolgen und die Quantenschlüsselverteilung mit Post-Quantenkryptographie zu kombinieren.«