Klima-Stress

Stark gegen Starkregen und Dürre

Dr. Susanne Bieker, Leiterin des Querschnittsthemas »Transformations- und Innovationssysteme urbaner Räume« am Fraunhofer ISI.
© Heinz Heiss
Dr. Susanne Bieker, Leiterin des Querschnittsthemas »Transformations- und Innovationssysteme urbaner Räume« am Fraunhofer ISI.

Die Maß­nahmen, die unsere Städte resilienter ge­gen den Klimawandel machen, haben einen entscheidenden Vorteil – sie machen sie auch lebenswerter. Wie das gehen kann, zeigen Resilienzfor­scherinnen und -forscher am Fraunhofer-Institut für System- und Innovations­forschung ISI. »Fokussieren wir uns auf Dürre und Starkregenereignisse, so ist die grundlegende Frage: Wie gestalten wir den urbanen Wasserkreislauf?«, sagt Dr. Susan­ne Bieker, Leiterin des Querschnittsthemas »Transformations- und Innovationssyste­me urbaner Räume« am Fraunhofer ISI. Bislang sind städtische Bereiche hoch­verdichtet, das Regenwasser kann auf Dächern, Straßen und Plätzen nicht ver­sickern. Stattdessen fließt es größtenteils in die Kanalisation, die jedoch überwiegend auf Abwasser ausgelegt und bei Starkregen schnell überfordert ist. Das Ergebnis sind überschwemmte Straßen und überflutete Keller. Auch für Trockenperioden ist es un­günstig, das Regenwasser in die Kanalisati­on einzuleiten. In der Natur ist die Wasser­bilanz ausgeglichen – im Wald versickern 50 Prozent des Regens, nur fünf Prozent des Wassers fließen ab. In einem Industriege­biet liegt der Versickerungsanteil lediglich bei 20 Prozent, während 60 Prozent des Wassers in die Kanalisation fließen. Wird das Regenwasser jedoch dort gehalten, wo es fällt, kann es dort auch verdunsten und Kühlungseffekte entfalten. Machbar ist das etwa über Grünanlagen, begrünte Dächer oder Fassaden – man spricht dabei auch von grünen Infrastrukturen. Studien zufolge kann eine extensive Dachbegrü­nung – also Moose, Gräser und ähnliche Pflanzen – 30 bis 70 Prozent des jährlichen Niederschlags zurückhalten, intensive Dachbegrünung mit Bäumen, Sträuchern und Stauden sogar fast bis zu 100 Prozent. Sinnvoll sind zudem blaue Infrastruktu­ren: Teiche, Seen und Kanäle. Außerdem Einstauflächen, also beispielsweise große Wiesen, auf denen sich das Wasser nach einem starken Regenguss 20 bis 30 Zenti­meter hoch sammeln kann. Und Zisternen: große unterirdische Wasserspeicher, die das Regenwasser für Trockenperioden spei­chern – und in trockenen Gebieten vielfach als Trinkwasserspeicher dienen.

Blau-grüne Technologien

Dr. Marius Mohr vom Fraunhofer IGB
© Heinz Heiss
Dr. Marius Mohr, Leiter des Innovationsfelds Wassertechnologien und Wertstoffrückgewinnung am Fraunhofer IGB.

Projekt »Leipziger BlauGrün«

Umgesetzt werden solche blau-grünen Strukturen unter anderem im Projekt »Leipziger BlauGrün«, das vom Bundes­ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Am ehemaligen Eutritzscher Freiladebahnhof sollen in den nächsten Jahren 2100 neue Wohnungen, ein Schulcampus und Gewerbegebäude entstehen – samt begrünten Dächern, Grünflächen, Zisternen und Co. Kernstück ist die robuste und effiziente Steuerung der blau‑grünen Technologien. »Unsere intelligente Steuerung kombiniert Daten wie Füllstände von Zisternen, die Wasser­qualität oder auch Daten von Bodenfeuch­tesensoren mit extern verfügbaren Daten wie der Wettervorhersage«, erläutert Dr. Marius Mohr, Innovationsfeldleiter für Wassertechnologien und Wertstoffrück­gewinnung am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB. Kündigt die Wettervorhersage Stark­regen für die Region an, werden automa­tisch Wasserspeicher wie Zisternen entleert, um den neuen Regen aufnehmen zu kön­nen. Ebenso die Rigolen eines Retentions-Gründachs, das die Fraunhofer-Forscher derzeit mit der Firma OptiGrün in einem Pilotversuch auf einem Carport des Um­weltforschungszentrums aufbauen: Auf diesem Dach können nicht nur Pflanzen wachsen, sondern in integrierten Rigolen auch Wasser zwischengespeichert werden. Seit März 2021 steuert die Software diese Dachrigolen, parallel dazu werden die Projektergebnisse in die Planungen am Eutritzscher Freiladebahnhof integriert.