Global vernetzt – global verwundbar

Webspecial Fraunhofer-Magazin 2.2025

Täglich bekommen wir zu spüren, wie verletzlich der weltweite Handel ist. Unternehmen können sich schützen – dank KI. Die Nachfrage steigt.

 

Trumps Zolldrohungen, Terrorangriffe auf Containerschiffe im Roten Meer oder Kriege: Tag für Tag wird der globale Handel bedroht. Lieferketten sind fragil. Wie Unter­nehmen mithilfe von KI Störungen schnell erkennen und so Produktionsausfällen vorbeugen können, erforschen Dr.-Ing. Eduardo Colangelo und sein Team am Fraunhofer-Institut für Produktionstech­nik und Automatisierung IPA in Stuttgart. Der Wirtschaftsingenieur aus Argentinien, der seit zwölf Jahren am Fraunhofer IPA Lösungen für die Industrie entwickelt, re­gistrierte vor allem in den vergangenen Mo­naten eine steigende Nachfrage. Er ist über­zeugt: »Es gibt eine Häufung an Krisen, die Unternehmen dazu bewegen, mehr in die eigene Widerstandskraft zu investieren.«

Resilienz, so erklärt er, müsse sorgfäl­tig strategisch im Vorfeld aufgebaut wer­den. Wichtig sei vor allem die Analyse der individuellen Produktionsbedingungen: Welche Rohstoffe werden benötigt? Wie sind sie verfügbar? Welche Lieferanten und Transportwege gibt es? Existieren Alter­nativen? Mit diesen Informationen werden KI-Modelle gefüttert, die das Fraunhofer- IPA-Team im Forschungsprojekt PAIRS entwickelt hat. Sie erkennen Störungen auf Lieferwegen und haben gleichzeitig kritische Entwicklungen auf Rohstoffmärk­ten im Blick. Dafür werten sie unter an­derem aktuelle Satellitenbilder des euro­päischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus und Meldungen auf Nachrich­tenportalen aus.

 

Resiliente Lieferketten dank KI

Die KI misst beispielsweise die Schiffs­dichte im Seefrachtverkehr. Stauen sich vor einem Hafen oder in einer Passage die Frachter, gibt es vermutlich ein Problem. Eventuell musste der Hafen schließen oder ein Containerschiff ist havariert und blockiert die Weiterfahrt wie im Jahr 2021 die »Ever Given« im Suezkanal. Wenn die Störung für das Unternehmen bedrohlich ist, gibt die KI eine Warnung aus. Colangelos Kollegin Theresa-Franziska Hinrich­sen betont: »Die Entscheidung darüber, ob Maßnahmen eingeleitet werden, liegt aber beim Menschen.« Kommt der zu dem Ergebnis, dass ein Einschreiten nicht er­forderlich ist, fließt diese Information wieder in das KI-Modell ein. Colangelo ergänzt: »So lernt unsere KI kontinuier­lich dazu und wird immer besser darin, die Relevanz bestimmter Ereignisse für die jeweilige Firma zu bewerten.«

Zurzeit arbeitet das Forschungsteam zusätzlich an Simulationsmodellen auf Basis individueller Unternehmensdaten. Natürlich gebe es viele denkbare Szena­rien, die eine Gefahr für die Produktion darstellen, so Colangelo, aber nicht auf al­le müsse man auch vorbereitet sein. »Das würde nur die Kosten unnötig in die Höhe treiben. Wir simulieren nur die, die wahr­scheinlich und kritisch sind. Resilienz ist immer ein Gleichgewicht zwischen Aus­wirkungen und Wahrscheinlichkeit.«

 

Aus Krisen lernen mittels KI-Modellen beim Katastrophenschutz 

Die KI-Modelle aus dem Fraunhofer IPA könnten nicht nur die industrielle Re­silienz stärken, sondern auch den Katas­trophenschutz. In Kooperation mit dem Technischen Hilfswerk will das For­schungsteam mithilfe von Szenario-Ana­lysen hohe Risiken identifizieren, damit hier zielgerichtet Investitionsentscheidun­gen getroffen werden können. Hinrichsen: »Für das Trainieren der KI-Modelle brau­chen wir allerdings erst einmal entspre­chende Daten. Doch die liegen leider im Unterscheid zur Industrie kaum struktu­riert vor.« Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben daher zunächst ein Tool entwickelt, das die Erfassung relevan­ter Daten im Katastrophenfall erleichtert. Damit lassen sich beispielsweise die Be­stände in Einsatzlagern einfach überwa­chen und eine smarte Materialbedarfspla­nung durchführen. Hinrichsen: »Der Aufwand ist minimal, der Nutzen enorm.« Neben Einsatzdaten sind beispielsweise auch meteorologische Daten, Informatio­nen über die Verfügbarkeit und Reichwei­te von Kommunikationsnetzen, Infrastruk­turdaten oder historische Daten über Katastrophen für die Planung von Hilfs-und Schutzmaßnahmen wertvoll und kön­nen wichtige Fragen beantworten wie: Wie haben sich eine Wetterlage und die Schnel­ligkeit, mit der die Flusspegel gestiegen sind, auf eine Flutkatastrophe ausgewirkt? Wie hat sich eine Krisensituation verän­dert, wenn bestimmte Faktoren aufeinan­dergetroffen sind? Hinrichsen: »Die Daten sind ein Schatz, der noch gehoben werden muss. Dann kann KI im Katastrophen­schutz sehr helfen.« Und wir können aus vergangenen Krisen lernen.

Fraunhofer-Verbund Produktion

Der Fraunhofer-Verbund Produktion ist eine Kooperation von Fraunhofer-Instituten mit dem Ziel, produktionsorientierte Forschung und Entwicklung gemeinsam zu betreiben, um den Kunden in Industrie, Handel und Dienstleistung durch die Bündelung der vielfältigen Kompetenzen und Erfahrungen der einzelnen Institute auch umfangreiche, ganzheitliche Problemlösungen aus einer Hand anbieten zu können.

Fraunhofer-Allianz Big Data und Künstliche Intelligenz BIG DATA AI

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