»Zukunft der industriellen Energieversorgung« - die 4. INNOVATIONSLOUNGE 2022

In Kooperation mit der Atreus GmbH

Dr. Christian Frank, Partner und Mitglied Executive Board bei Atreus
© Fraunhofer-Alumni e.V. | Atreus GmbH | Caroline Floritz
Dr. Christian Frank, Partner und Mitglied Executive Board bei Atreus.

Produktionsanlagen und Unternehmen haben besondere Anforderungen an die Versorgung mit Energie. Damit die zwingend notwendige Dekarbonisierung, Energieeinsparung, Dezentralisierung und Diversifizierung Realität werden kann, gilt es allerdings an vielen Stellschrauben zu drehen.

Aktueller hätte das Thema nicht sein können. Angesichts einer ungewöhnlichen Hitze- und Dürreperiode und einer von Tag zu Tag unsicherer werdenden Energieversorgung drängen Projekte wie die Dekarbonisierung von Produktion und Gebäudetechnik wie auch die Diversifizierung von Energieversorgung auf der Prioritätenliste an die oberste Stelle.

Die 4. INNOVATIONSLOUNGE unter dem Titel »Die Zukunft der industriellen Energieversorgung – quo vadis« am 20. Juli in München sorgte für rund 100 Anmeldungen und etwa 250 Zuschauer über den Live-Stream. Geladen waren Fraunhofer-Alumni sowie Gäste des Interims-Management-Spezialisten Atreus.

 

»Ich freue mich, dass wir uns wieder physisch treffen«, begrüßte Dr. Christian Frank, Partner und Mitglied Executive Board bei Atreus, die Zuhörer. »Als wir die ersten Planungen für diese Veranstaltung unternahmen, wussten wir nicht, wie brandaktuell dieses Thema heute sein würde. Das Ziel dieser gemeinsamen Veranstaltung ist, angewandte Forschung mit Wirtschaft und Handeln zu verbinden.«

 

Michael Vogel, Leiter des Alumni-Managements des Fraunhofer-Alumni e.V. erklärt: »Mit der Gemeinschaft, die wir zusammen mit Atreus aufgebaut haben, wollen wir Synergien heben und einen Beitrag leisten, damit Technologien in die Umsetzung kommen.«

Michael Vogel, Leiter Alumni-Management der Fraunhofer-Gesellschaft
© Fraunhofer-Alumni e.V. | Atreus GmbH | Caroline Floritz
Michael Vogel, Leiter Alumni-Management der Fraunhofer-Gesellschaft.
Viktor Deleski, Learning Professional bei Fraunhofer Academy und Moderator des Abends.
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Viktor Deleski, Learning Professional bei Fraunhofer Academy und Moderator des Abends.

»Trotz multipler Krisen, müssen wir eigentlich nicht mehr viel erfinden, um unsere Probleme zu lösen, aber wir müssen vorhandene Lösungen in die Anwendung bringen«, so fasste Moderator Viktor Deleski, Fraunhofer Academy, die Vorträge zusammen.

 

Die Reduzierung des Energieverbrauchs von Unternehmen und der damit verbundenen Kosten ist seit vielen Jahren eines der Themen des Teams um Mark Richter, dem Leiter des Geschäftsfeldes »Klimaneutraler Fabrikbetrieb« am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU. Die »gute Nachricht« ist für Richter, dass das IWU seit über 10 Jahren Lösungen in diesem Themenfeld produziert. Auf dem Weg zu einer CO2-Reduktion in einem Unternehmen ist für Richter eine saubere Bilanzierung der erste notwendige Schritt.

 Eine Maßnahme die für viele, speziell kleinere Unternehmen, jedoch eine Herausforderung darstellt. »So ist auch heute noch an vielen Stellen die einzige Transparenz die Energierechnung am Ende des Jahres«. Doch erkennt Richter auch eine wachsende Sensibilisierung für dieses Thema.

 

Es existieren ganze Bündel an Maßnahmen, um ein Unternehmen klimafreundlicher zu machen. Das IWU bietet dazu für Unternehmen Workshops an. Dabei wird zum einen die „Absprungbasis“ des Unternehmens identifiziert, als auch konkrete Maßnahmen abgeleitet. Dazu zählen Sektorenkopplung in der Fabrik, aktives Energiemanagement, geschlossene Kreisläufe, Nutzung von Energiespeichern und -wandlern, die Verknüpfung und parallele Optimierung der Produktionstechnik, der Produktions- und Gebäudeinfrastruktur, sowie der Intralogistik. Daraus können den Anforderungen entsprechende Energieversorgungs- und Nutzungskonzepte entwickelt werden, welche jeweils nach technischen, wirtschaftlichen und ökobilanziellen Kriterien bewertet werden. Natürlich kann auch eine Diversifizierung der Versorgung eine Rolle spielen, dabei speziell die zunehmende Nutzung von dezentral erzeugter erneuerbarer Energie. Hier ist grüner Wasserstoff ein absoluter Hoffnungsträger und einer der Schwerpunkte der Arbeit des Teams von Mark Richter.

 

Mark Richter, dem Leiter des Geschäftsfeldes »Klimaneutraler Fabrikbetrieb« am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU.
© Fraunhofer-Alumni e.V. | Atreus GmbH | Caroline Floritz
Mark Richter, dem Leiter des Geschäftsfeldes »Klimaneutraler Fabrikbetrieb« am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU.
© Fraunhofer-Alumni e.V. | Atreus GmbH | Caroline Floritz

»Was kann Wasserstoff? Es ist ein Energiespeicher, mit dem Potential zahlreiche Probleme zu lösen, es ist aber keine Energiequelle«, verdeutlicht Richter. Dennoch gibt es nach wie vor hohe Hürden. »Wir sehen Wasserstofflösungen in vielen Einsatzbereichen, jedoch nahezu alles was man an Systemen heute kaufen kann, ist noch Manufaktur.« Um Wasserstoff in eine breite Anwendung zu konkurrenzfähigen Preisen zu bekommen, sei es Voraussetzung, dass sämtliche Komponenten wasserstoffbasierter Energieversorgungssysteme massenmarkttauglich produziert werden können. Auch an dieser Herausforderung forschen vor allem die Produktionstechniker der Fraunhofer Gesellschaft, wie eben auch Richters Kollegen mit Hochdruck: »Wir sind momentan auf einem guten Weg, aber damit wir im deutschen Wirtschaftsraum die Technologie kurzfristig zur Verfügung haben und langfristig nicht nur selbst nutzen, sondern auch international vermarkten können, muss noch einiges parallel passieren«, erklärt Richter. 

 

Am IWU selbst wird darüber hinaus die Nutzung Regenerativer Energiequellen in Verbindung mit Wasserstoff mit dem Konzept einer „Grünen Kette“ in der Praxis erforscht. Auch wenn Wasserstoff aktuell in vielen Fällen noch keine Option darstelle, es sei wichtig, heute bereits mit der Etablierung von H2-Anwendungsfällen zu beginnen. Außerdem entsteht an IWU derzeit ein Demonstrator einer gleichspannungsversorgten Fabrik – „DC-Fabrik“ – mit dem man laut IWU den Energieverbrauch um bis zu 15 Prozent senken kann. Bei allen anstehenden Aufgaben Richtung Klimaneutraler Fabriken ist für Richter nach wie vor das wichtigste Credo: »Efficiency First!« Es gelte also immer zuerst Einsparpotentiale zu heben und das mit vorhanden Lösungen.

 

»Die Themen Verringerungen der Abhängigkeit eine sichere Energieversorgung und die Reduzierung von Emissionen werden uns die nächsten Jahre beschäftigen«, erklärt Andreas Schierenbeck, Co-Founder und CEO von HH2E, einem Energieversorger-Start-up, das sich zum Ziel gesetzt hat, in nächsten Jahren an vier Standorten 4 GW grünem Wasserstoff bereitzustellen. Für die »Dekarbonisierung ist die Elektrifizierung der erste Weg, aber es gibt viele Prozesse, die sich dafür nicht eigenen«, so der ehemalige Uniper-CEO. In grünem Wasserstoff sieht er jedoch eine Antwort auf viele dieser Probleme.

 

HH2E will sich die Volatilität von Sonne und Wind zunutze machen. Dabei sollen für Industriekunden und Kommunen variable Leistungsspitzen in eine stabile Energieproduktion überführt werden. Strom aus nahegelegenen Offshore-Windanlagen in der Ostsee und großen Solaranlagen wird beispielsweise am Standort Lubmin zugekauft. Dieser Strom wird in einer Kombination eines alkalischen 50-MW-Elektrolyseurs mit einer 200-MWh-Hochkapazitätsbatterie genutzt. So sollen bis 2025 zunächst konstant 6000 Tonnen grüner Wasserstoff für Transport- und Industriekunden in Deutschland produziert werden. Zum Start in drei Jahren werde die Anlage 100 MW Eingangsleistung liefern, diese ist innerhalb der nächsten acht Jahre auf 1 GW ausbaubar. Warum HH2E in diesen Schritten arbeitet, erklärt Schierenbeck: »Wir skalieren, denn es gibt derzeit nicht genügend Aggregate am Markt.« Eine starke Konkurrenz aus dem Ausland fürchtet Schierenbeck im Augenblick nicht, denn der Transport von Wasserstoff über lange Strecken sei mit dem jetzigen Stand der Technik alles andere als trivial. Weshalb sich das Start-up HH2E darauf konzentriere Wasserstoff in der Nähe der Abnehmer herzustellen.

 

Andreas Schierenbeck, Gründer und CEO von HH2E.
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Andreas Schierenbeck, Gründer und CEO von HH2E.
Noah Mertens, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Advanced Control Systems bei Fraun-hofer IIS EAS.
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Noah Mertens, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Advanced Control Systems bei Fraun-hofer IIS EAS.

Der Frage, wie man mit Daten Energie sparen kann, widmete sich Noah Mertens, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Advanced Control Systems bei Fraunhofer IIS EAS. Auch bei ihm steht »Efficiency« an erster Stelle. Er setzt mit seinem Team  bei der energetischen Optimierung von Gebäuden an, da dieser Sektor zwischen 35 bis 40 Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs darstellt. Unternehmen sind hier entweder im energetischen Blindflug, sprich sie haben wenige oder keine Daten zum Energieverbrauch ihrer Gebäude oder sie werden von einer Vielzahl von Informationen überschwemmt.

 

Um die individuell besten Ansätze zu identifizieren, verfolgt das Team um Mertens zwei unterschiedliche Ansätze. »Wir können einen digitalen Zwilling des Gebäudes und der relevanten Anlagen erstellen und dann verschiedene Maßnahmen simulieren« erklärt Mertens. Auf diese Weise komme man zu sehr detaillierten Ergebnissen. Das Erstellen dieser Simulation ist derzeit noch mit einem hohen Aufwand verbunden.

 

Ein weiterer Ansatz ist, die vorliegenden Daten aus den Systemen mit Hilfe von Intelligenten Algorithmen auszuwerten. Auf diese Weise bekomme man zu geringen Kosten eine schnelle Abschätzung. »Was diese Algorithmen noch nicht können, ist automatisch die optimale Konfiguration zu identifizieren. Aber man kann so Maßnahmen sehr schnell auf positive und negative Auswirkungen prüfen«, erklärt Mertens.

 

Er berichtet aus einem Projekt, in dem ein Unternehmen für einen Erweiterungsbau durch Maßnahmenbewertungen Einsparungen im Wert von 200.000 Euro mit Hilfe dieser Tools realisieren konnte.