Bausteine der Zukunft

Kreislaufwirtschaft

Aus Altkunststoffen neue Rohstoffe erzeugen

Unter Rohstoffmangel und hohen Rohstoffpreisen leiden nicht nur Hersteller, die auf Seltene Erden angewiesen sind, sondern auch Produzenten von Gummi- und Kunst­stoffwaren: 79 Prozent werden durch die hohen Preise von Kunststoff-Granulaten ausgebremst. Ein weiteres Ar­gument für Kreislaufwirtschaft bei Kunststoffen ist die Abhängigkeit der Unternehmen von den erdölfördernden Ländern und deren Preispolitik. Außerdem wird der Ex­port von Kunststoffmüll schwieriger. Verschiedene Ab­nehmerländer wie China lehnen die Entsorgung unserer Kunststoffe inzwischen ab.

Dr. Alexander Hofmann
© Sonja Och
Dr. Alexander Hofmann, Abteilungsleiter am Fraunhofer UMSICHT, Institutsteil Sulzbach-Rosenberg: »Unser Ziel ist eine Technologieplattform, mit der wir aus Altkunststoffen einen Rohstoff erzeugen können, der Neuware-Qualität hat.«
Justus von Freeden
© Sonja Och
Justus von Freeden, Wissenschaftler am Fraunhofer IWU, entwickelt wiederverwendbare Strukturen – »Faserkunststoffverbunde mit Kohlenstofffasern eignen sich dafür sehr gut!«

Der Recyclingansatz für Kunststoffe vom Fraunhofer UMSICHT und vom Fraunhofer Cluster CCPE bietet gro­ßes Potenzial. »Unser Ziel ist eine Technologieplattform, mit der wir aus Altkunststoffen einen Rohstoff erzeugen können, der Neuware-Qualität hat«, fasst Hofmann zu­sammen. Gelungen ist das zum Beispiel bereits bei Rotor­blättern von Windkraftanlagen – einem Abfallstrom, der einen großen Kunststoffanteil enthält. Die Schwierigkeit: Es handelt sich um Faserverbundstoffe. Die Experten zer­schneiden das Rotorblatt in Flakes von wenigen Zenti­metern Größe, die sie dann ebenso wie bei der Rückge­winnung der seltenen Metalle behandeln. Die Glasfasern werden aus der Kunststoff-Matrix herausgelöst, sie wer­den verwendet, um daraus Schaumglas zu erzeugen. Das Pyrolyse-Öl wiederum enthält die Kunststoff-Grundbau­steine, die je nach Ausgangsmaterial entweder als Mole­küle oder als Monomere im Öl vorliegen. Durch entspre­chende Aufreinigungsverfahren gewinnen die Forscherinnen und Forscher daraus reines Styrol oder Phenol. Diese sind von ihrer chemischen Struktur von Neuware nicht zu unterscheiden und können der Kunst­stoffindustrie somit als Rohstoff dienen.

Mit der Frage, wie man Faserverbundstoffe im Kreis­lauf führen kann, befasst sich auch das Fraunhofer-Ins­titut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU gemeinsam mit 21 Partnern aus sieben EU-Ländern im bereits 2017 gestarteten EU-Projekt FiberEUse. Drei ver­schiedenen Grundprinzipien widmet sich das Team: dem thermischen Recycling, dem mechanischen Recycling und der Wiederverwendung von Bauteilen. »Wir vom Fraunhofer IWU haben gemeinsam mit den Firmen EDAG und INVENT wiederverwendbare Strukturen entwickelt«, erläutert Justus von Freeden, Wissenschaftler am Fraun­hofer IWU. »Faserkunststoffverbunde mit Kohlenstoff­fasern eignen sich dafür sehr gut: Sie sind langlebig, haben eine sehr hohe Ermüdungsfestigkeit und korrodieren nicht.« Umgesetzt wurde das Vorhaben beispielhaft an zwei designunabhängigen Fahrzeugstrukturen: einer Sitz­unterstruktur, die sich neu bepolstern lässt, und einem Grundrahmen für die Plattform eines Elektroautos. Um die Qualität der Verbundwerkstoffe zu überprüfen, nut­zen die Forscher als Übergangstechnologie zerstörungs­freie Prüfung wie Ultraschall und Thermografie.

Das Ziel, Kohlenstoff aus Kunststoffen zu hundert Pro­zent im Kreislauf zu führen, verfolgen sieben Einrichtun­gen der Fraunhofer-Gesellschaft im Leitprojekt Waste4Future. Aktuell werden knapp 50 Prozent der Kunststoffe verwertet, etwa PET-Flaschen, der Rest wird ver­brannt. »Wir betrachten die Stoff­ströme, unterteilen sie in Teil­ströme und ermitteln die passende, günstigste Aufberei­tungsroute«, sagt Dr. Sylvia Schattauer, stellvertretende In­stitutsleiterin des Fraunhofer-In­stituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS und Leiterin des Projekts Waste­4Future. »Die einzelnen Techno­logien, die dafür nötig sind, müs­sen nicht neu entwickelt, sondern nur hochskaliert und geschickt miteinander kombiniert werden.«

Dafür hat das Forscherteam eine Technologiehierarchie auf­gebaut – die jeweiligen Kompe­tenzen sind an den Instituten vorhanden. Das heißt: Alles, was mechanisch getrennt werden kann, wird aufbereitet. Was sich mechanisch nicht separieren lässt, kommt in die nächste Stufe, das physikalisch-chemische Trennen – hier lassen sich Re-Granulate und Primärketten herstellen. Und der letzte Rest geht in die chemisch-thermische Ver­wertung, heraus kommen Pyrolyse-Öl und Synthesegas, die sich mit grünem Wasserstoff zu neuen Kunststoffen verarbeiten lassen.

»Das gesamte Material in das chemische Recycling zu schieben, macht keinen Sinn, da der Energieaufwand da­für sehr hoch ist. Das lohnt sich nur bei Stoffströmen, die anders nicht verwertet werden können«, sagt Schattauer. Idealerweise entsteht somit ein Bewertungsmodell, mit dem Firmen ihre Stoffströme beurteilen können. Wichtig und neu dabei: Die Plattform berücksichtigt auch kosten­wirtschaftliche Bewertungen. So fließen die Knappheit von Ausgangsstoffen, der Preis des Erdöls oder der Kunst­stoffgranulate als Neuprodukt in die Berechnungen ein, ebenso die Auslastungen der Produktionswege.

Projekte

FiberEUse

Large-scale demonstration of new circular economy value-chains based on the reuse of end-of-life fiber reinforced composites

Glas- und carbonfaserverstärkte Komposite werden mehr und mehr als Strukturmaterialien in vielen Sektoren wie Transport, Bau und Energie verwendet, da sie leichter und korrosionsbeständiger sind als Metalle. Solche Kompositmaterialien zu recyceln ist eine Herausforderung.

Das Projekt FiberEUse bündelt verschiedene Innovationspfade, um das Recycling von Kompositen zu verbessern und profitabel zu machen. Das recycelte Material soll in Form von neuen Produkten in Wertschöpfungsketten wiederverwertet werden.

Aus Abfall werden »grüne« Moleküle für die Chemie − Waste4Future

Kohlenstoff im Kreislauf führen, und somit Plastikmüll und Emissionen vermeiden: Das ist das Ziel im Projekt »Waste4Future«. 7 Fraunhofer-Institute und -Einrichtungen bündeln darin ihre Kompetenzen, um ein entropiebasiertes Bewertungsmodell für kohlenstoffhaltige Abfallströme und neue Technologien für Sensorierung, Sortierung sowie das werkstoffliche und chemische Recycling zu entwickeln. Die angestrebten Ergebnisse tragen zur verbesserten Energie- und Ressourceneffizienz beim Einsatz von Kunststoffen bei und ebnen den Weg für eine Chemieindustrie, die weniger fossile Rohstoffe benötigt und weniger CO2 ausstößt.

 

12.10.2021

Bioaktive Papierbeschichtung ersetzt Kunststoffverpackungen bei Lebensmitteln

Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV | Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB

 

6.10.2021

Recycling von Mund-Nasen-Schutz-Masken

Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT