Quantencomputing

Die Quantencomputer kommen

© IBM Research

Analysten von Morgan Stanley prognostizieren, dass sich der Markt für High-End-Quantencomputer bis 2025 auf zehn Milliarden Dollar pro Jahr verdoppeln wird. Neben IBM und Google bauen auch der chinesische Internetriese Alibaba und Start-ups wie Novarion, Rigetti oder D-Wave an den Superrechnern. Doch ist Quantencomputer nicht gleich Quantencomputer. Unterschieden wird zwischen universellen Quantenrechnern, auf denen prinzipiell jede Art von Rechenoperationen durchgeführt werden kann, und so genannten Quantenannealern, die – vergleichsweise – einfacher aufgebaut und nur für ganz bestimmte Aufgaben geeignet sind. So nutzt beispielsweise VW seit 2017 einen Quantenannealer von D-Wave, um in seinen Forschungslabs die Simulation von Verkehrsflüssen zu optimieren. Auch BMW forscht, um mit solchen Quantencomputern Arbeitsschritte von Fertigungsrobotern zu optimieren.

Wesentlich komplexer in Aufbau und Arbeitsweise sind die universellen Quantencomputer. Das Besondere: Die Rechenleistung solcher Geräte ist nicht linear, sondern verdoppelt sich mit jedem zusätzlichen Qubit – also mit zwei Qubits hätte man vier, mit drei schon acht Kombinationsmöglichkeiten. Entscheidend ist jedoch nicht nur die Quantität der Qubits, sondern vor allem deren Qualität, sprich, die Verschränkungen der Qubits und die Kohärenzzeit, die das Quantensystem stabil bleibt, um zu rechnen – sonst geht die Information in einem Rauschen verloren. Die meisten universellen Quantencomputer, wie etwa Googles Bristlecone mit 73 Qubit, funktionieren bislang nur unter speziellen Bedingungen im Labor. Im Januar 2019 stellte IBM den ersten kommerziell – also außerhalb von Laborumgebungen – nutzbaren Quantencomputer vor, den IBM Q System One.

Um die anwendungsnahe Quantencomputing-Forschung in der EU voranzubringen, soll dieser ab 2021 von einem Konsortium aus sieben Fraunhofer-Instituten in Deutschland betrieben werden. »Eine unserer zentralen Forschungsfragen ist, welche konkreten Anwendungsszenarien der Industrie sich für die Berechnung mit einem Quantencomputer eignen und wie sich die notwendigen Algorithmen dafür entwickeln und einfach in Applikationen übersetzen lassen«, erklärt Prof. Dr. Manfred Hauswirth, geschäftsführender Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS. Weitere Ziele der Initiative sind, die Einstiegsschwelle für Unternehmen möglichst niedrig zu halten und einen Wissenstransfer in die Wirtschaft zu etablieren, um dort frühzeitig Fachkompetenzen für Quantencomputing aufzubauen.

Noch gibt es erhebliche Hürden für den Betrieb eines Quantencomputers. Oberste Prämisse ist es, die fragilen Quanten gegen sämtliche Umwelteinflüsse abzuschirmen. Sie benötigen eine Temperatur niedriger als im All, müssen fast auf den absoluten Nullpunkt von etwa minus 273 Grad herabgekühlt werden, arbeiten nur unter Vakuumbedingen, müssen elektromagnetisch abgeschirmt sein – nur so bleibt die Chance auf brauchbare Berechnungen. Fehler können sowohl durch externe Einflüsse wie Erschütterungen auftreten als auch bei der Manipulation und dem Auslesen von Qubits mit Hilfe von elektromagnetischen Wellen.

Komplexe Probleme knacken

Doch welche konkreten Aufgaben können Quantencomputer lösen? »Man kann mit Quantencomputern in wenigen Jahren sehr effizient kleinere Primzahlen zerlegen. Dies kann zur Gefahr für bisherige Kryptosysteme werden. Deshalb wird derzeit sehr aktiv an Post-Quantum-Verschlüsselung geforscht«, erklärt Hauswirth. In einigen Jahren werden sie noch komplexere Probleme bewältigen: »Schwierig ist heute im Finanzbereich zum Beispiel die parallele Steuerung von Milliarden von Zahlungsströmen in Echtzeit in einem sehr engen regulatorischen Korsett. Eine sequenzielle Durchführung ist fehleranfällig, mit Quantencomputern ließe sich das optimieren.«

Professorin Anita Schöbel, Institutsleiterin des Fraunhofer ITWM in Kaiserslautern und gemeinsam mit Hauswirth verantwortlich für das Thema Quantencomputing bei Fraunhofer, nennt ein aktuelles Anwendungsbeispiel aus ihrem Institut: »Wir arbeiten an Projekten, die so genannte stochastische partielle Differentialgleichungen wie die Fokker-Planck-Gleichungen nutzen. Diese werden gebraucht bei der Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien oder Windturbinen, bei Berechnungen granularer Strömungen oder auch zur Beschreibung der Preisentwicklung in der Finanzmathematik. Solche Gleichungen lassen sich in quantenmechanische Gleichungen umwandeln und mit Quantencomputern vermutlich viel schneller berechnen als bisher.«

Das anwendungsbezogene Quantencomputing wird nun also sehr konkret. Werden wir alle in einigen Jahren einen Quantenrechner zu Hause oder einen Quantenprozessor im Smartphone haben? »Ein Quantenrechner wird immer nur ganz spezifische Problemstellungen lösen können und damit einen klassischen Rechner nicht ersetzen«, erwartet Hauswirth. »Wahrscheinlich ist, dass sich Cloud-Modelle durchsetzen, sozusagen der Quantencomputer-as-a-Service, ebenso wie Mischformen aus traditionellem High-Performance-Computing und Quantencomputing.«

Wann kommt der Quantencomputer?

Prof. Dr. Manfred Hauswirth, Fraunhofer FOKUS
© Fraunhofer FOKUS/Philipp Plum
Prof. Manfred Hauswirth, Institutsleiter am Fraunhofer FOKUS.

Drei Fragen an Prof. Dr. Manfred Hauswirth, Fraunhofer FOKUS, zur Quantencomputer-Initiative mit IBM:

 

Worum geht’s in dem Projekt?

Gemeinsam mit IBM werden wir den ersten universellen Quantencomputer in Europa an einem deutschen Standort aufbauen. Ziel ist es, technologische Lösungen des angewandten Quantencomputings in unterschiedlichen Einsatzfeldern zu entwickeln und zu bewerten. Daran sollen auch Unternehmen jeder Größe mitforschen und -arbeiten können.

Warum ist es wichtig?

Die anwendungsorientierte Forschung im Quantencomputing steht erst am Anfang. Wir müssen Quantenalgorithmen definieren und übersetzen, um sie für die Anwendungsprogrammierung einfach nutzbar zu machen. Das erfordert Fachkompetenzen in der Industrie, die wir durch Wissenstransfer hierzulande frühzeitig aufbauen wollen. Diese Initiative ermöglicht es außerdem, Quantencomputing-Strategien unter völliger Datenhoheit und nach europäischem Recht zu entwickeln – ohne Abhängigkeit von großen Internetkonzernen aus Übersee.

Wann wird es erste Ergebnisse geben?

2021 soll der Quantencomputer physisch in Deutschland stehen. Bis zum praktischen Einsatz in einem wirtschaftlichen Umfeld wird es aber, optimistisch geschätzt, noch zehn bis zwanzig Jahre dauern.

Vom Supercomputer zum Superinternet

Schon beschäftigen sich Forscherteams weltweit damit, wie sich mehrere Superrechner möglichst effizient – hier also über Quanteninformation - koppeln lassen – und damit ein Quanteninternet bilden. Ein ambitioniertes Projekt läuft derzeit am QuTech in Delft mit mehreren Partnern, darunter das Fraunhofer ILT: Bis 2022 soll in den Niederlanden der erste Quanteninternetdemonstrator entstehen mit dem Ziel, langlebige Verschränkungen von Qubits über große Distanzen zu sichern. Knotenpunkte an vier Standorten sollen via Glasfasern miteinander verbunden werden und so nicht nur mehr Rechenkapazität, sondern auch gänzlich neuartige Anwendungen ermöglichen. Hierzu zählen unter anderem das Blind Quantum Computing, bei dem sicher, privat und anonym Rechnungen auf Quantencomputern in der Cloud durchgeführt werden können. Die große Herausforderung dabei ist laut Florian Elsen, Koordinator für Quantentechnologie am Fraunhofer ILT in Aachen, »die einzelnen fragilen Qubits möglichst verlustarm durch das Glasfaserkabel zu leiten. Dafür konvertieren wir ihre Frequenz, das heißt, wir ändern die Wellenlänge einzelner Photonen – ohne eine weitere der relevanten Eigenschaften zu verändern.« Vom Quanteninternet ist der Sprung in die Quantenkommunikation nicht weit.

Wie funktioniert ein Quantencomputer?

© IBM Research

Während ein klassischer Rechner mit Bits rechnet, nutzt ein Quantencomputer Qubits. Diese können nicht nur die Werte 0 oder 1 annehmen, sondern durch die Überlagerung von Quantenzuständen auch jede beliebige Kombination aus beidem. Erst wenn ein Qubit gemessen wird, wird es auf einen konkreten Wert festgelegt. Jedes zusätzliche Qubit verdoppelt dabei die Leistungsfähigkeit des Systems – bei 50 Qubits gäbe es also zwei hoch 50 Kombinationsmöglichkeiten. Auf diese Weise lassen sich größere Probleme und komplexere Aufgaben parallel statt linear berechnen.

Man kann sich Qubits als rotierende Teilchen vorstellen, deren Rotationsachse sich erst auf eine Position festlegt, wenn man misst. Gerechnet wird mit Korrelationen von Qubit-Zuständen.
 

Fünf Kriterien für einen Quantencomputer nach David Di Vincenzo*

1. Das System besteht aus einem skalierbaren System gut charakterisierter, also gut verstandener Qubits.
2. Es muss möglich sein, die Qubits in einen definierten Anfangszustand zu versetzen.
3. Ein universeller Satz elementarer Quantengatter, also an Rechenoperationen, kann ausgeführt werden.
4. Einzelne Qubits (zumindest eines) können gemessen bzw. ausgelesen werden.
5. Die Kohärenzzeit des stabilen Systems ist wesentlich länger als die Operationszeit einer Rechenoperation.
 

*Pionier der quanteninformatik, Professor für Theoretische Physik an der RWTH Aachen