Wasserstoff – so bleiben wir mobil

Eignet sich Wasserstoff auch für Lkw, Schiff, Zug und Flugzeug?

Weit weniger ideologisch ist die Entscheidung zwischen Brennstoffzelle und flüssigen Kraftstoffen beim Antrieb von Schiff, Lkw und Flugzeug: Hier punkten flüssige Kraftstoffe mit ihrer sehr hohen Energiedichte – schließlich zählt vor allem im Flugverkehr jedes Gramm und es sind hohe Leistungen bei langer Betriebsdauer gefragt.

Im Projekt NAMOSYN, kurz für: Nachhaltige Mobilität durch synthetische Kraftstoffe, arbeitet das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE mit zahlreichen Partnern beispielsweise daran, solche Oxymethylenether möglichst schnell wirtschaftlich herzustellen. Dazu bilden die Fraunhofer Forscher die gesamte Wertschöpfungskette von den Ausgangsstoffen CO2 / H2 bis hin zum normgerechten Kraftstoff ab – inklusive aller katalytischen Prozesse sowie Trennverfahren. Ferner untersucht das Konsortium die Nutzungsphase von OME im Verbrennungsmotor, die Kompatibilität in der Betankungsinfrastruktur, die Lebenszyklusanalyse der gesamten Wertschöpfungskette und die Integration solcher neuen Kraftstoffe. »Wir am Fraunhofer ISE schauen uns sechs verschiedene Prozessvarianten an und bewerten diese unter anderem hinsichtlich der Kosten und des CO2-Fußabdrucks«, sagt Dr. Achim Schaadt, Abteilungsleiter am Fraunhofer ISE. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Prozesssimulationsplattform, die das Forscherteam entwickelt hat: Wie müsste der Prozess mit einer Million Tonnen erzeugtem Kraftstoff pro Jahr aussehen? »Es ist ein Wechselspiel zwischen Simulation und Experiment – wir lernen aus den Ergebnissen der kleinen Anlagen und speisen deren Ergebnisse in unser Simulations-modell ein«, erläutert Dr. Ouda Salem, Head of Team Power to Liquids am Fraunhofer ISE. Ein Projektpartner baut ein modulares System mit einem Output von einem Kilogramm OME pro Stunde auf. Weitere Partner führen Motorentests durch. Übrigens: OMEs lassen sich nicht nur als Kraftstoffe nutzen, sondern kommen auch als hochselektive, grüne Lösungsmittel und CO2-Sorptionsmittel in Betracht.

Eine andere Art, möglichst viel Wasserstoff in möglichst wenig Volumen und möglichst ungefährlich zu speichern, bietet die »Liquid Organic Hydrogen Carrier LOHC«-Technologie, die an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg und am Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg entwickelt wird. Dabei wird der Wasserstoff durch ein flüssiges, organisches Trägermaterial gebunden. Das Gemisch ist sehr schwer entflammbar und nicht explosiv. Sprich: Die Flüssigkeit lässt sich gefahrlos lagern, umfüllen, transportieren und tanken. Um den Wasserstoff zu entfernen und ihn nutzen zu können, ist ein Mini-Reaktor nötig – das LOHC wird darin vom Wasserstoff befreit und in einem zweiten Tank bis zur erneuten Nutzung zwischengelagert. Da zwei Tanks sowie der Reaktor nötig sind, sind LOHC-Speicher für Kleinwagen nicht optimal. Für Züge jedoch bieten sie ein großes Potenzial – schließlich ist dort ausreichend Platz. Um die Reaktion effizient ablaufen zu lassen und die Reaktoren möglichst klein zu gestalten, sind jedoch große Oberflächen nötig. Diese entwickelt ein Forscherteam am Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut, HHI. »Wir bearbeiten eine Metalloberfläche mit einem Laser«, erläutert Prof. Eike G. Hübner vom Fraunhofer HHI. »Dabei entsteht eine poröse scharfkantige Struktur, die die Oberfläche fast um den Faktor hundert vergrößert.« Der Erfolg lässt sich bereits sehen: Auf Basis bestehender Versuchsergebnisse wird derzeit ein Reaktor mit Modulen der Größe von ca. 20 x 20 x 10 Zentimeter entwickelt, der das Leistungsäquivalent von bis zu 5 kW in Form von Wasserstoff freisetzt. Mehrere dieser LOHC Power Packs sollen künftig auf einem zugelassenen Triebwagen montiert werden und genügend Wasserstoff für den Betrieb freisetzen.

© Fraunhofer HHI / Grafik: Vierthaler & Braun
Wird Wasserstoff durch ein flüssiges, organisches Trägermaterial (LOHC) gebunden, lässt er sich ungefährlich speichern. Laserbearbeitete Metalloberflächen sorgen mit ihrer großen Oberfläche dafür, dass die entsprechenden Reaktionen effizient ablaufen.
Dr. Benjamin Jäger vom Fraunhofer IKTS arbeitet im Projekt HyMethShip daran, Schiffe via Methanol nahezu emissionsfrei fahren zu lassen.
© Roger Hagmann
Methanol ist sein »Elixier« – zumindest wenn es um Schiffsantriebe geht. Dr. Benjamin Jäger vom Fraunhofer IKTS arbeitet im Projekt HyMethShip daran, Schiffe via Methanol nahezu emissionsfrei fahren zu lassen.

Dem zukunftsweisenden, sicheren Antrieb von Schiffen widmen sich Forscher am Thüringer Standort Hermsdorf des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS gemeinsam mit Partnern wie der Meyer Werft im EU-Projekt HyMethShip. »Mit unserem Ansatz lassen sich die Emissionen in der Schifffahrt um bis zu 97 Prozent senken«, begeistert sich Dr. Benjamin Jäger vom Fraunhofer IKTS, der das Herzstück des Projekts – die Methanol Reformierung – koordiniert. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass Schiffe auf See nach wie vor auf Schweröl setzen, bei dessen Verbrennung unter anderem Schwefelverbindungen entstehen, und in Küstennähe auf Diesel umschalten, wobei sie wiederum Stickoxide und CO2 in die Luft ausstoßen. All dies lässt sich beim Wasserstoffantrieb umgehen: Schwefelverbindungen treten nicht auf, Stickoxide werden weitestgehend minimiert und das entstehende CO2 wird im Kreis geführt – es gelangt somit nicht in Form von Abgasen in die Luft. Das Prinzip des Antriebs: An Land tankt das Schiff Methanol, das sich im Gegensatz zu Wasserstoff problemlos lagern lässt – und das selbst dann kein Problem für die Umwelt darstellt, wenn der Tank im Worst Case komplett auslaufen würde. Das Methanol dient als Wasserstoffspeicher: An Bord wird es mit Wasser umgesetzt. Dabei entsteht zum einen der benötigte Wasserstoff, der, per Membran abgetrennt, in einem Motor direkt verbrannt wird und das Schiff somit antreibt – und zwar deutlich mehr Wasserstoff, als im Methanol gespeichert ist, da auch das Wasser Wasserstoff zuliefert. Zum anderen entsteht CO2, das in Tanks eingelagert, an Land abgepumpt und erneut für die Methanol-Herstellung genutzt wird. Die Wärme, die für den Prozess nötig ist, stammt aus dem Motor – was die Effizienz des Antriebs ein weiteres Stück nach oben treibt. Die Fraunhofer-Experten rund um Jäger haben die komplette Prozess- und Reaktorauslegung übernommen und die benötigten Membranen entwickelt. An der Technischen Universität Graz, einem weiteren Projektpartner, bauen die Forscher eine Demonstrationsanlage auf, die über 1,6 Megawatt an Wasserstoffenergie liefern soll. Erste Versuche sind für Anfang 2021 geplant, der Testbetrieb folgt Mitte 2021. Zudem will das Konsortium eine Studie für eine Fähre in Skandinavien mit 20 Megawatt Leistung mit dem neuartigen Antrieb erstellen. Zum Vergleich: Ein Öltanker hat eine Leistung von 50 bis 80 Megawatt.

Grafik: An Land tankt das Schiff Methanol, das an Bord mit Wasser zu Wasserstoff umgesetzt wird. Dieser treibt das Schiff via Direktverbrennung an. Das ebenfalls entstehende CO2 wird in Tanks eingelagert, an Land abgepumpt und erneut für die Methanol-Herstellung genutzt.
© LEC GmbH
An Land tankt das Schiff Methanol, das an Bord mit Wasser zu Wasserstoff umgesetzt wird. Dieser treibt das Schiff via Direktverbrennung an. Das ebenfalls entstehende CO2 wird in Tanks eingelagert, an Land abgepumpt und erneut für die Methanol-Herstellung genutzt.