Energiesouveränität – langfristig durch Kernfusion?

Kernfusion bietet großes Potenzial für eine neue, nachhaltige Energiequelle. Besonders Industriestaaten benötigen zukunftstaugliche Konzepte und Lösungen für zusätzliche Energiequellen, die grundlastfähig sind und den Energiemix der Zukunft CO2-neutral ergänzen. Mit der weltweit erstmaligen Zündung eines brennenden Plasmas bei der lasergetriebenen Trägheitsfusion sowie maßgeblichen Fortschritten in der Magnetfusion gelangen in den letzten Jahren bemerkenswerte wissenschaftliche Durchbrüche.

Um die Forschung zielgerichtet und marktorientiert voranzubringen, ist eine enge und frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie unerlässlich. Fraunhofer verbindet Grundlagenforschung mit industriellen Anwendungen. Sie entwickelt Schlüsseltechnologien für Fusionskraftwerke, die auch für andere Industrien relevant sein und neue Märkte schaffen können: darunter Höchstleistungs-Kurzpulslaser, optische Technologien, Additive Manufacturing oder Materialwissenschaften. Dadurch sinken die Produktionskosten und perspektivisch auch die Kosten für Kernfusion.

Was kann Fraunhofer im Zusammenhang mit der Kernfusions-Technologie leisten?

Im Bereich der Kernfusion ist noch umfangreiche Vorlaufforschung erforderlich, die aber bereits im jetzigen Stadium mit Fokus auf Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit ausgelegt sein sollte. Gerade Entwicklungen in den Zuliefertechnologien, die für das Forschungsfeld nötig sind, bieten auch aktuell schon hohes Potenzial für Industriepartner. Die Fraunhofer-Gesellschaft mit ihrer starken Anwendungsorientierung und Industrienähe bietet sich hier als Schnittstelle an. 

Video Kernfusion – Energie der Sonne

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      Fraunhofer ILT

      Projekt DioHELIOS

      Hochleistungs-Laserdioden sind eine Schlüsselkomponente für Fusionskraftwerke der Zukunft. Das Verbundprojekt DioHELIOS tritt an, um ihre Leistung und Effizienz auf ein neues Niveau zu heben.

      Fraunhofer IOF

      Projekt nanoAR

      Die Projektpartner aus Industrie und Forschung arbeiten an Methoden zur strukturellen Entspiegelung und Reduzierung von oberflächennahen Schädigungen der eingesetzten optischen Komponenten.

      Fraunhofer ILT

      Projekt PriFUSIO

      Das Forschungsprojekt PriFUSIO startet die systematische Entwicklung von Schlüsseltechnologien für klimaneutrale Fusionskraftwerke der Zukunft. 

      Fraunhofer IOF

      Projekt SHARP

      Ziel des Verbundprojekts ist die Entwicklung einer neuen Generation hochreflektierender Laserspiegel, die den extremen Anforderungen zukünftiger Petawatt-Laserfusionsreaktoren gerecht werden. 

      Fraunhofer IGCV

      Projekt EUROfusion

      Additive Fertigung von Wolfram bei der Entwicklung von Plasma Facing Components (PFC) zur Energiegewinnung mittels Kernfusion 

      Fraunhofer IMM

      Projekt CALORI

      Strahlungsresistente Bolometer, welche die Leistung der Kernfusionsforschung präzise detektieren.

      Fraunhofer IPT

      Projekt ISEGRIM

      Additive Reparaturtechnologie für langlebige Fusionsreaktoren

      Fraunhofer ILT

      Projekt DURABLE

      Designfreiheit für die Fusion durch additive Fertigung: Robustere Armierung und Materialverbünde zur Steigerung der Lebensdauer

      Fraunhofer IAF

      Projekt IFE Targetry HUB

      Pionierforschung zur laserbasierten Trägheitsfusion

      Förderprogramm Fusion 2040

      Die deutsche Industrie und Forschungslandschaft nehmen eine Spitzenposition bei der Entwicklung von Schlüsseltechnologien ein. Gemeinsam mit Unternehmen möchte die Fraunhofer-Gesellschaft dem Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung BMBF an das deutsche Wissenschaftssystem nachkommen, Schlüsseltechnologien von der Grundlagen- in die angewandte Wissenschaft zu überführen, neue Märkte frühzeitig zu adressieren und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu stärken. Ziel des aktuell veröffentlichten Förderprogramms Fusion 2040 ist es, ein Innovationsökosystem für die Fusion aufzubauen und im Rahmen von Public-Private-Partnerships anwendungsorientierte Verbundforschung zu fördern.

      Was ist Kernfusion?

      Kernfusion ist das Verschmelzen zweier leichter Atomkerne (meist Deuterium und Tritium) zu einem schweren Kern (Helium). Die Masse des schweren Kerns ist geringer als die Masse der beiden leichten Kerne zusammen. Dieser Massenunterscheid wird als nutzbarer Energie freigesetzt. Der Prozess imitiert die Energiequelle der Sonne und anderer Sterne und stellt damit eine nachhaltige Form der Energiegewinnung ohne direkte CO2-Emission und mit weithin verfügbaren Fusionsbrennstoffen dar.

      Die Umsetzung der Kernfusion auf der Erde ist technisch hoch anspruchsvoll. Um die sich zunächst stark abstoßenden Atomkerne zum Verschmelzen zu bringen, müssen extrem hohe Drücke und Temperaturen (etwa 200 Millionen °C) über gewisse Zeitperioden aufrechterhalten werden. Die dabei entstehenden Plasmen lassen sich nicht mehr in materiellen Gefäßen einschließen.

      Welche Vorteile birgt die Kernfusion?

      Kernfusion besitzt prinzipiell hohes Potenzial zur nachhaltigen, standortunabhängigen Energiegewinnung. Aus einem Gramm Brennstoff kann in der Kernfusion genauso viel Energie gewonnen werden wie aus der Verbrennung von elf Tonnen Steinkohle. Dabei verursacht die Erzeugung keine direkten CO2-Emissionen wie z. B. bei Erdgas oder Kohle. Zusätzlich entstehen keine langlebigen radioaktiven Abfälle bzw. es besteht keine Gefahr einer Kettenreaktion und Kernschmelze wie bei der Kernspaltung.

      Warum sollte sich Deutschland in der internationalen Forschung zur Kernfusion engagieren?

      Deutschland importiert zurzeit ca. 70 Prozent der Primärenergieträger (Erdöl, Steinkohle, Erdgas, Uran); eigene Energieträger sind nur die Braunkohle (ca. 8 Prozent des Primärenergieverbrauchs) und regenerierbare Quellen (ca. 16,5 Prozent). Gleichzeitig machen wachsende Treibhauseffekte eine Reduktion der CO2-Emission dringend erforderlich, die derzeit hauptsächlich durch den Ausbau regenerativer Energiequellen umgesetzt wird. Kernfusion besitzt perspektivisch das Potenzial, mit überschaubarem Platzaufwand und unabhängig von Witterungsverhältnissen oder Zugriff auf lokale Ressourcen zuverlässig und sicher Energie zu produzieren.

      Magnetfusion und Trägheitsfusion – verschiedene Ansätze der Energiegewinnung

      Im Gegensatz zur Kernspaltung werden bei der Kernfusion leichte Atomkerne miteinander verschmolzen (fusioniert), wobei Bindungsenergie freigesetzt wird, die anschließend in nutzbare Energieformen überführt wird.

      Die Umsetzung der Kernfusion auf der Erde ist technisch hochanspruchsvoll. Um die sich zunächst stark abstoßenden Atomkerne zu verschmelzen, müssen extrem hohe Drücke und Temperaturen (von ca. 150 Millionen °C) erzeugt und über gewisse Zeitperioden aufrecht erhalten werden. Die dabei entstehenden Plasmen können nicht mehr in materiellen Gefäßen eingeschlossen werden.

      Aus diesem Grund werden bei der sogenannten Magnetfusion (MCF »Magnetic Confinement Fusion«) magnetische Felder zum Einschluss genutzt. Starke Energieverluste durch Emission von Lichtquanten im Röntgenbereich und Verlust von heißen Teilchen müssen durch stetiges Nachheizen kompensiert werden. In internationalen Großprojekten werden Forschungsreaktoren basierend auf verschiedenen Magnetfeldgeometrien betrieben, in denen der notwendige Plasmadruck bisher für Sekunden bis Minuten aufrechterhalten werden konnte. Eine positive Energiebilanz soll 2035 mit dem derzeit größten Forschungsinstrument ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) erreicht werden, der seit 2007 im südfranzösischen Forschungszentrum Cadarache von den Mitgliedstaaten der EURATOM, China, Indien, Japan, Russland, Südkorea und USA betrieben wird.

      Bei der Trägheitsfusion (IFE »Inertial Fusion Energy«) ist erst kürzlich ein wichtiger Durchbruch erreicht worden. Mit Hilfe einer Vielzahl von gepulsten Hochenergielasern wird das in kleinen Kapseln eingeschlossene Fusionsgemisch kurzzeitig auf die notwendige Dichte und Temperatur zur Verschmelzung komprimiert. Am Lawrence Livermore National Lab LLNL (Kalifornien, USA) wurde mit dieser Technik im Jahr 2021 weltweit erstmalig ein brennendes Fusionsplasma gezündet, das eine Fusionsenergie von 1,35 Megajoule (MJ) freisetzte, entsprechend etwa 70 Prozent der zur Kompression und Zündung genutzten Laserenergie. Folgeexperimente bauten das Verständnis der physikalischen Prozesse weiter aus. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde am 5. Dezember 2022 die freigesetzte Fusionsenergie auf 3,15 MJ gesteigert, die durch eine Laserenergie von 2,05 MJ komprimiert und gezündet wurden. Der Netto-Energiegewinn beträgt so mehr als 150 Prozent. Damit konnte zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ein brennendes Plasma im Labormaßstab auf der Erde gezündet werden, das mehr Energie durch Fusion freisetzte, als Laserenergie zur Kompression und Zündung eingestrahlt wurde. Dies ist ein entscheidender Meilenstein in der Fusionsforschung.

      Die National Ignition Facility (NIF) ist eine experimentelle Versuchsanlage, die zur Erforschung und Generierung von brennenden Plasmen gebaut wurde. Eine Versuchsanlage zur Erforschung der Trägheitsfusion zur Energiegewinnung existiert noch nicht. Mit dem Ergebnis des NIF Experiments steht man jetzt an der Schwelle, diesen Pfad zu beschreiten und in der kommenden Dekade die erheblichen ingenieurwissenschaftlichen Herausforderungen zu lösen.

      Erste privatwirtschaftliche Unternehmen, finanziert durch private Investoren, engagieren sich daher bereits auf diesem Gebiet. Derzeit sind über 30 Unternehmen im Bereich der magnetischen Fusionsenergie und der Magneto-Inertial-Technologien und 6 Unternehmen im Bereich IFE tätig. Die Gesamtinvestitionen sind nach Angaben der Fusion Industry Association (FIA) von 1,8 Milliarden Dollar in den letzten zwei Jahren auf heute über 4,7 Milliarden Dollar gestiegen. Vier der Start-ups sind in Deutschland ansässig.
       

      Technologien made in Germany liefern relevante Beiträge zur Fusionsforschung

      Deutschland verfügt bereits über umfangreiches Know-how in Schlüsseltechnologien, die für die Entwicklung der Kernfusion von Relevanz sind. Im Bereich des magnetischen Einschlusses sind zum Beispiel Forschende der Max-Planck-Gesellschaft weltweit führend. In der Lasertechnik und der optischen Industrie, die für die lasergetriebene Trägheitsfusion notwendig ist, belegt Deutschland eine internationale Spitzenposition. Die Fraunhofer-Gesellschaft forscht und ist weltweit führend in der Entwicklung von Höchstleistungs-Kurzpulslasern und vielen anderen optischen Technologien. Auch die Materialwissenschaften zählen zu den Kompetenzen der deutschen Forschungslandschaft auf diesem Gebiet.

      In Anbetracht der jüngsten Erfolge ist es daher essenziell, Forschung und Entwicklung in diesem Technologiebereich weiter zu fokussieren und auszubauen. So können Deutschland und Europa auch langfristig zu einem zentralen Ausrüster auf dem Gebiet der Kernfusion werden.

      Webspecial

      Wissenschaftsjahr 2025 »Zukunftsenergie«