Willkommen in einem neuen Zeitalter!

Peter Körte | Strategie-Chef der Siemens AG

Peter Körte, Strategie-Chef der Siemens AG

Fraunhofer-Magazin 1.2021

Peter Körte
© Siemens AG
Peter Körte, 45, soll bei Siemens die Strategien für die Digitalisierung und das Internet der Dinge vorantreiben.

Das Internet der Dinge hat riesiges Potenzial – braucht allerdings auch Datensouveränität. Sie ist die Voraussetzung, um Wissens- und Datensilos kontrolliert zu öffnen.

Die digitale Transformation in den 2010er-Jahren hat an erster Stelle Menschen verbunden. In den 2020er-Jahren beginnt das Zeitalter des Internets der Dinge: intuitive Gebäude, die auf die Bedürfnisse ihrer Bewohner reagieren. Autonome Fahrzeuge, die aus einem Meer von Daten schöpfen können. Kritische Infrastrukturen wie dezentrale, intelligente Netzwerke, die selbstständig erneuerbare Energiequellen managen werden.

Die Verschmelzung von physischer und digitaler Welt birgt riesiges Potenzial. Bereits heute sind Milliarden von Geräten miteinander verbunden. Sie erzeugen einen wertvollen Datenpool, der in vielen Bereichen noch ungenutzt ist. Gleichzeitig entstehen neue Formen der Kollaboration von Partnern (wir nennen das Ökosysteme) und ermöglichen völlig neue Geschäftsmodelle. Großes Potenzial liegt auch in den Bereichen Effizienzsteigerung, Nachhaltigkeit oder Energieeinsparung. So kann zum Beispiel die Transportkapazität im öffentlichen Verkehr um 20 Prozent erhöht werden, ohne dass hierfür neue physische Strukturen gebaut werden müssen!

Allerdings sehe ich auch Herausforderungen. Etwa 60 Prozent der Industrieunternehmen haben noch keine industriellen Technologien für das Internet der Dinge in nennenswertem Maß implementiert. Traditionell sind in vielen Bereichen die Fertigungs-IT und das Internet noch getrennt. Die Frage »Was passiert mit meinen Daten, wenn ich sie teile?« erzeugt viel Unsicherheit, wie die kürzlich erschienene Studie des BDI »Datenwirtschaft in Deutschland« zeigt. Neben einer unbedingten Datensicherheit kommt hier die Frage der Datensouveränität ins Spiel. Datensouveränität bedeutet im Endkunden-Bereich, dass jeder Mensch als Konsument aktiv und selbstbestimmt die Nutzung seiner personenbezogenen Daten steuern kann. Im B2B-Geschäft bedeutet dies analog, dass Unternehmen durch ein selbstbestimmtes Management über Zugang und Nutzung ihrer Daten verfügen, also entscheiden können, wer zu welchem Zweck welche Daten bekommt. Eine gute Balance zwischen Datensouveränität der Beteiligten und Praktikabilität in der Kooperation ist nicht einfach herzustellen.


Die vitalen Punkte:

1. Infrastruktur
Eine robuste Infrastruktur muss bereitgestellt werden, mit höchsten Anforderungen an die Datensicherheit (siehe auch unsere »Charter of Trust«-Initiative).

2. Datensouveränität
Das Mittel der Wahl sind Verträge zwischen den Kooperationspartnern. Sie müssen den Interessen aller und oft sehr komplexen industriellen Rahmenbedingungen zur Datennutzung angemessen Rechnung tragen. Siemens arbeitet nach dem Prinzip eines verantwortungsvollen Datenmanagements. So erarbeiten wir auf unserer industriellen IoT-Plattform gemeinsam mit vielen Partnern einheitliche Vertragsvorlagen für Shared Data Pools.

3. Rechtliche und politische Rahmenbedingungen

Ich begrüße grundsätzlich die jüngsten politischen Initiativen der Europäischen Kommission und der Bundesregierung, um die Nutzung von Daten zu verbessern und dafür unterstützende Rahmenbedingungen zu schaffen. Hier gilt es, die Akteure zu befähigen und Rechtsunsicherheiten abzubauen, beispielsweise durch zu hohe Hürden für B2B-Datenkooperationen im Kartellrecht oder bei der Anonymisierung und Pseudonymisierung. Auch die Schaffung industrieübergreifender Infrastrukturen und Ökosysteme, wie in der europäischen Initiative GAIA-X, sind richtige Schritte.

Wenn Industrie, Politik und Gesellschaft hier klug und gemeinsam handeln, dann kann die deutsche und europäische Wirtschaft ihre Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit entscheidend stärken. Und dabei geht es nicht allein um wirtschaftliche Prosperität, sondern um Nachhaltigkeit, Effizienz und Ressourcenschonung! Dazu müssen Wissens- und Datensilos kontrolliert geöffnet werden, sodass alle industriellen Partner in Ökosystemen gemeinsam Wert und Innovation kreieren können. Datensicherheit und Datensouveränität aller Beteiligten sind die Grundlage dafür, dass dies geschehen kann. Das Vertrauen darin muss wachsen und mit den richtigen Entscheidungen verdient werden!