Interview mit Anandi Iyer, Direktorin des Fraunhofer-Büros Indien
Neu-Delhi, Indien, 22. Juni 2024
Für ihre besonderen Verdienste um die deutsch-indische Wissenschaftskooperation hat Anandi Iyer, die Direktorin des Fraunhofer-Büros Indien, das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten.
Liebe Frau Iyer, herzlichen Glückwunsch zur hohen Auszeichnung. Welchen Beitrag leistet Fraunhofer in Indien zur deutsch-indischen Zusammenarbeit?
In den vergangenen 25 Jahren habe ich mich über meine verschiedenen Aufgaben, sei es als strategische Beraterin für das BMBF in Indien, Leiterin des INTEC-Projektes oder als Leiterin des Fraunhofer-Repräsentanzbüros in Indien, sehr intensiv für die Wissenschaftskooperation engagiert. Das Modell von Fraunhofer ist in Indien sehr begehrt. Etwa 56 Fraunhofer-Institute sind bereits in Indien engagiert. Wir konnten nicht nur Projekte mit der Industrie, sondern auch strategische und langfristige Kooperationen mit der Regierung und akademischen Instituten anbahnen. Als Fraunhofer-Vertreterin sitze ich in verschiedenen hochrangigen Gremien und Arbeitsgruppen, die von der Regierung, Verbänden und internationalen Organisationen berufen werden. So kann ich die Innovationskompetenzen von Fraunhofer sehr gut positionieren.
Welche Forschungsfelder sind für Indien besonders interessant?
Indien ist weltweit als Software-Leader bekannt. Daher sind Forschungsfelder wie Digitalisierung und Smart Manufacturing, aber auch Quantum Computing sehr wichtig. Auch Bereiche wie Erneuerbare Energien und Elektromobilität haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Themen wie Kreislaufwirtschaft und Sustainability sind auch in Indien von enormem Interesse. Indien hängt stark von der Agrarwirtschaft ab, daher investiert die Regierung viele Ressourcen in Bereiche wie die Automatisierung der Landwirtschaft, Digital Farming und AgroPV.
An welchen aktuellen Projekten ist Fraunhofer in Indien beteiligt?
Wir haben zurzeit einige Projekte im Bereich Erneuerbare Energien. Fraunhofer wurde zum Technologiepartner für die indische Regierung beim »Hydrogen Valley« ernannt. Indien investiert auch sehr viel in den Aufbau von Innovationsclustern. Wir sind beauftragt, mit Partnern aus dem Bundesstaat Tamil Nadu ein Innovationscluster für Digitalisierung aufzusetzen. Eine sehr interessante Initiative ist das German Innovation Forum. In Bangalore haben wir mit acht großen deutschen Firmen wie Bosch, Siemens, Siemens Healthineers, Continental, Mercedes Benz Research Centre, Festo und SAP eine Plattform geschaffen. Das Ziel ist, gemeinsame Projekte zu initiieren, interdisziplinäre Kompetenzen zu fördern und die Herausforderungen im indischen Markt anzusprechen.
Sie engagieren sich sehr im Bereich Geschlechtergleichstellung und für Frauen in den MINT-Bereichen. Wie sieht Ihre Arbeit in diesem Bereich aus?
Das Thema liegt mir sehr am Herzen! Als Indien in den Jahren 2022/23 die Leitung des G20-Gipfels innehatte, wurde ich von der indischen Regierung als Chairperson der Arbeitsgruppe »G20 Empower Women in Science« nominiert. Ich durfte mit einer internationalen Frauengruppe arbeiten und konnte mehrere Initiativen einleiten, um die Beteiligung von Frauen in MINT zu fördern und konkrete Maßnahmen für Gender Equality zu ergreifen. Aktuell engagiere ich mich in einem weiteren spannenden Projekt: Zusammen mit Dr. Christiane Bucher und Dr. Andrea Gassmann (beide ehemalige Fraunhofer-Kolleginnen) haben wir eine Ausstellungsreihe für Women in Science konzipiert. Wir werden im September 2024 in Zusammenarbeit mit der Experiminta in Frankfurt und der Science Gallery in Bangalore eine Ausstellung und ein Symposium organisieren. Wir hoffen, dass auch diese Initiative junge Frauen ermuntert, sich in MINT-Feldern zu engagieren und dort eine Karriere zu verfolgen.
Interview: Thomas Röll