Die einzelnen Institute der Fraunhofer Gesellschaft sind Experten mit tiefem Domainwissen, das eingebracht werden kann, um industrielle Probleme auf Quantencomputer zu portieren, die über reine Toy Probleme hinausgehen. Darüber hinaus kann durch die Anwendungsexpertise eingeschätzt werden, welche Vereinfachung möglich sind und wo exakte Lösungen notwendig sind. Dies ist z.B. bei Optimierungsproblemen von großem Wert, wo bei der klassischen Optimierung oftmals auf Heuristiken zurückgegriffen wird, die das Problem zwar nicht in aller Allgemeinheit lösen, praktisch aber sehr gut anwendbar sind. Beispiele aus der maritimen Logistik sind Netzwerkplanung in der Linienschifffahrt, maritime Inventory Routing, Liegeplatzzuweisung und Kaikranoptimierung, die im Rahmen des QSH Projekts am Fraunhofer CML bearbeitet werden.
Es wird an Simulations- und Optimierungsprobleme gearbeitet, welche auf Quantencomputern besser skalieren und somit künftig neue Entwicklungen in Bereichen wie Chemie, Pharmazie oder Logistik ermöglichen. Entwicklung von effizienten Encoding Techniken für fermionische Systeme sowie Nutzung von Clifford-Gattern zur Voroptimierung wird bei den Anwendungen im Bereich Quantenchemie getestet.
Insbesondere die Themen mathematische Optimierung in der Logistik mit quantenalgorithmischen Verfahren, sowie die Entwicklung und Analyse quantenalgorithmischer Lösungen für rechenintensive bildgebende Verfahren werden am Fraunhofer IIS in den Projekten QuaST (Quantum-enabling Services und Tools für industrielle Anwendungen) und QACI (Quantum Algorithms for Application, Cloud & Industry) untersucht.
Am Fraunhofer IAIS wurden Methoden des Quantenmaschinellen Lernens sowie der Quantenoptimierung erfolgreich im Bereich der Luft- und Raumfahrttechnik, insbesondere beim Bundle Adjustment und beim Entfernen von Wolken aus Satellitenbildern (»Cloud-Removal«), eingesetzt. Im Bereich des Designs rekonfigurierbarer Schaltkreise (FPGAs) wurde die Quantenoptimierung für das sogenannte Platzierungsproblem (»Placement«) entwickelt und ebenfalls erfolgreich eingesetzt. Auch bei der ESG-konformen Portfolio-Optimierung oder dem Energy Re-Dispatch Problem, also der Umplanung konfigurierbarer Ressourcen für die Energieerzeugung, definieren unsere Methoden den State-of-the-Art.
Im Rahmen des Kompetenzzentrums Baden-Württemberg haben die Fraunhofer-Institute IPA, IAO und IAF in den Projekten SEQUOIA und SEQUOIA End-to-End vielfältige Anwendungsfälle im Bereich Quantenoptimierung und QML untersucht. Die Anwendungsgebiete kamen u.a. aus den Bereichen Logistik, Produktion und Automotive und erfolgten unter Beteiligung vielfältiger Industriepartner.
Ausgehend von der breiten Anwendungspalette mathematischer Methoden untersucht das Fraunhofer ITWM Anwendungsfälle in den unterschiedlichsten Bereichen wie Finanz- und Energiewirtschaft, Chemie, Materialsimulation, Produktionsprozessen sowie Auffälligkeitsdetektion und Bildverarbeitung. Dazu werden die oben beschriebenen Methoden (Modellierung, QML, Quantenoptimierung, Benchmarking) eingesetzt, um die Sinnhaftigkeit eines QC-Einsatzes und dessen Fortschritt zu evaluieren.
Im Bereich Finanzmathematik werden QAE- und Quantum Monte-Carlo Simulationen für die Chancen-Risiko-Klassifizierung in der Altersvorsorge, der Bepreisung von Finanzderivaten wie Optionen, der Berechnung finanzmathematischer Risikomaße und der Berechnung des Solvenzkapitals von Banken und Versicherungen verwendet. Hier kommt außerdem die Quantum Architecture Search zum Einsatz. Zusätzlich werden Quantenoptimierungsalgorithmen im Bereich der Portfoliooptimierung angewendet. Das Kraftwerkseinsatzplanungsproblem aus der Energiewirtschaft wurde, auch mit Berücksichtigung des Stromangebots erneuerbarer Energien modelliert und mit hybriden Verfahren unter Verwendung des D-Wave Quantenannealers gelöst. In der Quantenchemie werden hybride QC/HPC-Methoden für das Electronic Structure Problem bereitgestellt. Die numerische Simulation ist ein wichtiges Werkzeug zur Charakterisierung von Verbundwerkstoffen. Der Fokus des Fraunhofer ITWM liegt auf dem Potenzial von Quantenrechnern, komplexe Materialmodelle schnell und effizient zu lösen. Hierbei werden sowohl Verfahren, die langfristig Vorteile versprechen – wie die Quanten-Fourier-Transformation (QFT) – als auch heuristische Verfahren, die kurz- bis mittelfristig anwendbar sind – wie variationelle hybride Verfahren betrachtet. Aufgrund der weitreichenden Erfahrung werden am Fraunhofer ITWM neuerdings auch quantum-inspirierte Algorithmen, insbesondere Tensor-Train-Verfahren berücksichtigt. Im Projekt SQEDULE wurde ein Anwendungsfall aus den Laboren der BASF untersucht, der sich mit dem Scheduling von Laborrobotern beschäftigt; mehrere klassische, quanteninspirierte und quantenhybride Solver wurden verwendet und bis hin zu Problemen industrieller Größenordnung gebenchmarkt. Für verschiedene Anwendungsfälle in der Auffälligkeitsdetektion, zum Beispiel in Produktionsprozessen im EniQmA-Projekt oder bei Kreditkartenbetrug, werden QML-Methoden angewendet. Das Ziel des Use Case »Auffälligkeitsdetektion in Produktionsprozessen« im Rahmen des Projekts besteht darin, Anomalien in Produktionsprozessen frühzeitig und automatisiert zu identifizieren. Dies soll eine hohe Produktqualität gewährleisten und ungeplante Standzeiten, Verschleiß sowie Ausschuss minimieren.
Der hier vorgestellte Ansatz zur Qualitätssicherung nutzt Quantum-Computing-Lösungen, um sowohl Bildverarbeitungsalgorithmen als auch die Detektion von Anomalien zu optimieren. Quantum Machine Learning bietet das Potenzial, herkömmliche Methoden durch seine hohe Rechenleistung und Effizienz deutlich zu übertreffen.