Quantenoptimierung

Verfahren der mathematischen Optimierung treten in vielen industriellen Anwendungsfeldern auf, so z.B. in der Logistik, Mobilität und Produktion. Quantencomputing bietet langfristig das Potential, die Zeit bis zur optimalen Lösung zu verkürzen. Mit aktuell verfügbarer Quantenhardware wird kurz- und mittelfristig der Einsatz quantenalgorithmischer Heuristiken z.B. zur Verbesserung der Lösungsgüte gegenüber klassischen Heuristiken untersucht.

So wird am Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen IIS im Rahmen eines Teilprojekts des bayerischen Hubs des Fraunhofer-Kompetenznetzwerks Quantencomputing BayQS (Bayerisches Kompetenzzentrum Quanten Security and Data Science) an einem hybriden quanten-klassischen Algorithmus zur Lösung für Tourenplanungsprobleme geforscht.

Für das Maritime Inventory Routing Problem MIRP hat das Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML im Rahmen des IQHH Projekts einen Demonstrator gebaut, der klassische Lösungen mit Lösungen auf einem Quantenannealer gegenüberstellt[1]. Die Methoden werden mit Bezug auf die Güte der Lösung sowie der benötigten Runtime miteinander verglichen. Ein solches Benchmarking erlaubt es die Sichtbarkeit der Fraunhofer-Gesellschaft gegenüber der Industrie zu erhöhen und als kompetenter und objektiver Ansprechpartner im Bereich Quantencomputing wahrgenommen zu werden.

Im Bereich der Optimierung hat sich der Institutsteil für angewandte Systemtechnik AST des Fraunhofer IOSB-AST auf die Lösung von Problemen im Energiesektor mit QAOA spezialisiert. Einer der Use Cases ist das bidirektionale Laden von E-Autos. Dieser konzentriert sich auf die Optimierung der Lade- und Entladeprozesse, um sowohl die Bedürfnisse der Nutzer als auch die Anforderungen des Stromnetzes zu erfüllen. Der Ansatz ermöglicht es, die Ladezeiten so zu planen, dass sie mit Zeiten niedriger Netzbelastung und hoher Verfügbarkeit erneuerbarer Energien übereinstimmen, während auch die Möglichkeit besteht, Energie aus den Fahrzeugbatterien zurück ins Netz zu speisen, um Spitzenlasten auszugleichen. Durch diese Methode wird eine nachhaltige und effiziente Integration von Elektrofahrzeugen in das Energiesystem erreicht, was sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile bietet. Die Algorithmen verwenden dabei Qudits, um die maximale Leistung aktueller Quantencomputer nutzbar zu machen. Als Add-on zu QAOA entwickelt das IOSB-AST auch Ansätze zur stochastischen und robusten Optimierung. Mit Hilfe der stochastischen Optimierung können Unsicherheiten z.B. in der Vorhersage der PV-Produktion in die Optimierung mit einbezogen werden. Durch die robuste Optimierung kann der Einfluss von Unsicherheiten in den Optimierungsmodellen minimieret werden. Dies beinhaltet die Nutzung von Unsicherheitsmengen, um sicherzustellen, dass die Lösungen unter einer Vielzahl von Szenarien robust bleiben.

Für die Analyse der entwickelten Algorithmen untersucht das Fraunhofer IOSB-AST Tensor Networks. Ziel ist hier, Erkenntnisse insbesondere zu den Optimierungsansätzen (Qubits wie Qudits) zu gewinnen. Dabei werden die Quantenalgorithmen mit den entsprechenden quanteninspirierten Algorithmen verglichen. Um vollständigen Einblick zu erlangen, hat das Fraunhofer IOSB-AST eine eigene Tensor Network Library in Python entwickelt.

Am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS werden verschiedene Arten kombinatorischer Optimierungsprobleme betrachtet, die ihren Ursprung in der künstlichen Intelligenz oder industriellen Anwendungen haben. Neben der Problemmodellierung werden allgemeine Methoden für das Lösen verschiedenster kombinatorischer Optimierungsprobleme mittels Quantencomputing entwickelt und eingesetzt. Im Zuge dessen wurde ein quanteninspirierter Digitalannealer entwickelt. Der Chip ermöglicht das Lösen quadratischer Optimierungsprobleme, die auch bei Quantenannealern oder QAOA eingesetzt werden. Dabei können Probleme mit 2048 Variablen bei vollständiger Konnektivität gelöst werden, was die heutigen Fähigkeiten von Quanten-Annealern und gatterbasierten Quantencomputern deutlich übersteigt. Die Hardware besitzt eine geringe Leistungsaufnahme von unter 10 W und benötigt keinen klassischen Server für die Ansteuerung, was ihren Einsatz On-Premise oder in ressourcenbeschränkten Umgebungen ermöglicht.
Darüber hinaus wurden am Fraunhofer IAIS Methoden entwickelt, mit denen quadratische Optimierungsprobleme automatisch so umgeschrieben werden, dass die Lösbarkeit auf Quantenhardware nachweislich erhöht wird. Abschließend wurde am Fraunhofer IAIS ein neuartiger Quantenschaltkreis vorgestellt, der bestimmte quadratische Probleme nachweislich schneller lösen kann als klassische Hardware. Diese Techniken wurden im Rahmen von Forschungsprojekten, darunter das Lamarr Institute for Machine Learning and Artificial Intelligence, entwickelt und bei Industriepartnern, unter anderem der Thales Group sowie PricewaterhouseCoopers International, erfolgreich eingesetzt.

Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM hat mit einem eigenen Optimierungsbereich sowie einer Vielzahl an optimierungsbezogenen Use Cases ein großes Interesse an der Weiterentwicklung von Quantenoptimierungsalgorithmen. Im Projekt EnerQuant lag der Fokus auf der Modellierung und Lösung eines Optimierungsproblems aus dem Energiebereich. Hier wurde eine neue, effizientere QUBO-Modellierung entwickelt, die es uns erlaubt, geeignete Penaltyfaktoren für die Strafterme der Nebenbedingungen a priori festzulegen. Zusätzlich werden diese Faktoren mithilfe von iterativen Verfahren optimiert, um bessere Ergebnisse für mittelgroße Probleminstanzen zu erhalten. Des Weiteren wurden erste Verfahren für das Lösen von robusten Optimierungsproblemen mit unsicheren Parametern vorgestellt. Im Projekt QuSAA liegt der Fokus auf der Portfoliooptimierung. Neben einer effizienten Modellierung neuer Zielfunktionen, zum Beispiel der Solvenzkapitalquote (SCR), wurden hier Kompetenzen im Lösen von multikriteriellen Optimierungsproblemen aufgebaut und den bestehenden variationellen Algorithmus verbessert. Weiteres Optimierungswissen wurde im Projekt SQEDULE aufgebaut. Ziel des Instituts ist es (hybride) Quantenoptimierungsverfahren mithilfe klassischer Werkzeuge aus der Optimierung (z.B. Decomposition oder Branching-Verfahren) weiterzuentwickeln.

Um die Grenzen bestehender Quantencomputer zu charakterisieren, wurden zahlreiche Benchmarks auf Komponenten- und Systemebene vorgeschlagen. Aufgrund der Komplexität der Fehler in Quantensystemen bieten diese Benchmarks jedoch keine Vorhersagekraft, die über einfache Quantenschaltungen und kleine Beispiele hinausgeht. Anwendungsorientierte Benchmarks wurden vorgeschlagen, um dieses Problem zu beheben, aber sowohl Ergebnisse aus realen Quantensystemen als auch Anwendungsfälle, die über konstruierte akademische Beispiele hinausgehen, sind nach wie vor sehr selten.
Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO leistet einen zentralen Beitrag mit einer systematischen Serie von Beispielen aus Anwendungsfällen wie Optimierung von Ladeplänen für Elektrofahrzeuge oder etwa die Optimierung von LKW-Routen. Diese wurden auf verschiedenen Prozessoren der gate-basierten Quantencomputer von IBM sowie auf dem Quantum Annealer von D-Wave ausgeführt mittels der variationellen Quantenalgorithmen Quantum Approximate Optimization Algorithm (QAOA), Variationsquanten-Eigensolver (VQE) und Quanten-Annealing (QA). Diese Forschung wurde zudem im Rahmen des Projekts SEQUOIA End-to-End in Demonstratoren überführt, die über das Fraunhofer-GitLab zur Verfügung stehen.[2]

 

[1] Vgl. https://mirp.cml.fraunhofer.de

[2] vgl. Unlocking Quantum Optimization: A Use Case Study on NISQ Systems (arxiv.org)

GitLab: SEQUOIA End-to-End · GitLab (fraunhofer.de)