Schätze aus dem Smartphone

cell phone lies on a circuit board and is broken down into individual parts
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Seit 2015 schon arbeiten neun Projektpartner aus vier Ländern daran, die Wertstoffe aus Handys möglichst vollständig zurückzugewinnen.

Rohstoffe, wie sie in nahezu jedem Elektrogerät oder Smartphone stecken, sind wertvoll. Und sie werden immer kostbarer — denn die Preise steigen!

Ein Kilo Gallium: 270 US-Dollar. Ein Kilo Tantal: 260 US-Dollar. Das Kilo Kobalt: 24 US-Dollar. Recycling wird nicht nur wichtiger, weil die Rohstoffe selten sind. Es wird auch immer mehr zum Geschäftsmodell. Allerdings gibt es ein Problem: Die Rohstoffe aus alten Smartphones oder Notebooks zu extrahieren ist schwierig. Gerade, wenn sie wie Tantal in winzigen Kondensatoren versteckt sind, ist es bisher kaum möglich, sie zurückzugewinnen. Am Ende werden viele Komponenten eingeschmolzen und die wertvollen Metalle und Seltenen Erden gehen unwiederbringlich in der Schlacke verloren. Prof. Reinhard Noll und Cord Fricke-Begemann wollen das ändern. Beide arbeiten am Aachener Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT und haben mit ihren Mitarbeitern Konzepte entwickelt, die einen völligen neuen Ansatz beim Recycling ermöglichen.

Prof. Noll ist Koordinator des EU-Projekts ADIR. Seit 2015 erforschen neun Projektpartner aus vier Ländern, wie sich Elektronikprodukte halbautomatisch zerlegen und die darin enthaltenen Wertstoffe möglichst vollständig zurückgewinnen lassen. Dr. Cord Fricke-Begemann leitet am ILT die Gruppe Materialanalytik und die Projektarbeiten des ILT in ADIR. An den FuE-Arbeiten zur Robotik ist das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg beteiligt. Bisher hatte man beim Recycling Geräte erst mal demontiert und dann versucht, die Wertstoffe herauszuholen. Der besondere Ansatz von ADIR: Die Elektronikkomponenten werden schon vor dem Zerlegen analysiert, um die begehrten Stoffe zu lokalisieren.

Die Technologien sind eine clevere Kombination von Bewährtem: intelligente Prozessführung, flexible Robotik, hochauflösende Kameras inklusive Bildauswertung, mindestens drei verschiedene Lasertechniken. Nicht umsonst ist das ILT eine der führenden Forschungsstätten für Lasertechnologie in Europa. Die Recycling-Anlage besteht aus mehreren Stationen. An jeder Station steht zunächst einmal die Erkennung des Produkts oder des Bauteils im Fokus. Handys werden zuerst nach Typ und Modell sortiert.

Eine Datenbank hilft bei der Erkennung. Nun wird das Gehäuse des Handys aufgefräst und geöffnet. Besondere Vorsicht gilt dem Akku, den der Roboter unbeschädigt entnimmt und einer gesonderten Verwertung zuführt. Die jetzt offen liegenden Platinen werden im nächsten Schrittmit hochauflösenden Kameras aufgenommen und die Bilder werden von einer Analysesoftware im Zusammenspiel mit einer internen Datenbank ausgewertet. Diese erkennt in der Regel schon, welcher Platinentyp vorliegt, und lokalisiert Bauteile, die wertvolle Rohstoffe wie Metalle oder Seltene Erden enthalten.

Hinzu kommt die Technologie, bei der das ILT über besondere Kompetenz verfügt: Laser. Damit lassen sich drei verschiedene Aufgaben ausführen. Die 3D-Vermessung erstellt ein Höhenprofil der Platine, das weitere Rückschlüsse auf Struktur und Aufbau ermöglicht. Die Laserspektroskopie dringt sogar in die Oberfläche der elektronischen Bauteile ein und kann darin enthaltene Wertstoffe identifizieren. Sind Platine und Komponenten analysiert und identifiziert, tritt Laser Nummer drei in Aktion, um einzelne Komponenten zu entlöten oder herauszuschneiden. Mit der Kombination dieser Techniken lassen sich winzige Kondensatoren, die das wertvolle Tantal enthalten, herauspicken und einer Sortierfraktion zuführen. »Wir können Tantal in einer Fraktion mit einem Gehalt von über 30 Prozent anreichern«, erklärt Projektleiter Fricke-Begemann. »Das ist deutlich mehr als im Tantalerz-Konzentrat, das die Hersteller von ihren Zulieferern bekommen.«

Manchmal sind einzelne Module mit einer Platine oder dem Gehäuse verklebt, beispielsweise der Vibrationsalarm von Handys. Der besteht in der Hauptsache aus einem winzigen Motor und einer Unwuchtmasse. Diese besteht nahezu zu 100 Prozent aus Wolfram. Die verklebten Motoren werden von den Fraunhofer-Experten mit elektromagnetisch erzeugten Stoßwellen vom Gehäuse gelöst. Mensch, Software, Kameratechnik, die verschiedenen Laser-Verfahren zum Messen, Entlöten, Schneiden und Roboter mit ihren Greifarmen, sie alle bilden damit das perfekte Recycling-Team. Es ist in der Lage, auch komplexe und hoch integrierte Elektronikprodukte sauber zu zerlegen und die darin enthaltenen Stoffe in größtmöglicher Reinheit zurückzugewinnen. Mit der Grundidee beschäftigt sich Fricke-Begemann schon seit fünf Jahren. Inzwischen steht das Projekt vor dem Abschluss. Die Machbarkeit des Konzepts ist bewiesen, und es kann mit höheren Durchsätzen auch wirtschaftlich funktionieren. Dafür sind vom ILT und seinen Partnern noch die erkannten Verbesserungsmöglichkeiten umzusetzen. Der Feinschliff ist an einigen Stellen noch nötig, bevor die Lösung dann tatsächlich an die Industrie übergeben werden kann.