Alumni-Spotlight - Beate Eickhoff, Fraunhofer ESK

Es sind auch diffuse Ängeste, die die Verbreitung künstlicher Intelligenz in Deutschland ausbremst, weiß ESK-Alumna Beate Eickhoff. Sie bekommt in ihrer neuen Position viele Forschungsthemen auf den Tisch und entscheidet über Fördergelder.

© VDI/VDE IT
Beate Eickhoff, Industrielle Forschung und Innovation prüft bei VDI/VDE Innovation + Technik GmbH Forschungsprojekte im Auftrag von Ministerien.

Was bringt die Zukunft bei Big Data, IoT, Cloud-Computing oder bei Künstlicher Intelligenz? Beate Eickhoff kennt als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei VDI/VDE Innovation + Technik die Antworten. Die Fraunhofer ESK-Alumna und Diplomingenieurin für Elektrotechnik untersucht - meist im Auftrag von Ministerien – anwendungsnahe Forschungsvorhaben auf Förderfähigkeit und begleitet die Projekte über die Laufzeit. Beate Eickhoff ist seit August 2018 Mitglied im Fraunhofer Alumni e.V..

 

 

Frau Eickhoff, wie sind Sie zu Fraunhofer gekommen?

2002 bin ich nach einer Familienpause von Frankfurt nach München gezogen. Als ich wieder in das Berufsleben einsteigen wollte – meine Kinder waren damals zwischen drei und fünf Jahre alt -  habe ich nach familienfreundlichen Unternehmen im Raum München gegoogelt und mit dem Fraunhofer-Institut für Eingebettete Systeme und Kommunikationstechnik ESK ein Institut gefunden, das sich mit meinem fachlichen Hintergrund deckt, schließlich hatte ich im Anschluss an mein Studium der Elektrotechnik bei Bosch Telecom Software für eingebettete Systeme in Chipkartentelefonen entwickelt und am Systemdesign der ersten GSM-Lösungen mitgewirkt.

Bei Fraunhofer habe ich nicht den klassischen Forscher-Weg beschritten, sondern arbeitete für das Kompetenzzentrum für Sprachkommunikation des ESK. Dieser zentrale Dienst berät die Fraunhofer-Institute in Sachen Kommunikationslösungen, dazu gehört sowohl die klassische Telefonie, als auch die Mobilkommunikation oder Unified Communications. Als spätere Leiterin des Kompetenzzentrums hatte ich mit vielen unterschiedlichen Fraunhofer-Instituten, insbesondere mit deren IT-Abteilungen zu tun. Mein Schwerpunkt war anwendungsorientiert, dennoch habe ich auch im Projektgeschäft mitgearbeitet. Nach 14 Jahren bei Fraunhofer bin ich dann zunächst zu einem kleinen IT-Consulting-Unternehmen und schließlich zum Projektträger VDI/VDE-IT gewechselt.

 

Was ist dort ihre Aufgabe?

Wir bearbeiten Förderanträge für Forschungsprojekte. Unter den Antragsstellern sind Forschungseinrichtungen, darunter auch viele Fraunhofer-Institute sowie Unternehmen aus der freien Wirtschaft. Deshalb stehe ich jetzt wieder im regen Austausch mit Fraunhofer. Aktuell bin ich hauptsächlich in Bayern aktiv, verfolge aber auch vermehrt Projekte auf Bundesebene.

 

Wie viel technisches Know-how müssen Sie dafür mitbringen?

Ohne technologischen Background geht das nicht. Ich bekomme Projektskizzen für Forschungsprojekte auf den Tisch und erstelle technische Gutachten für die Ministerien, in denen ich aufzeige, ob wir eine Förderung befürworten oder nicht. Das Spannende daran ist, dass ich so mit vielen verschiedenen und innovativen Themen zu tun habe, die einerseits weit in die Zukunft gerichtet sind andererseits aber auch eine konkrete Anwendung beinhalten.

 

Wie kommen Sie zu Ihren Aufträgen?

Die VDI/VDE-IT wird von den Ministerien beauftragt. Wir unterstützen bei der Definition innovativer Förderthemen und begleiten die Projektpartner bei der Antragstellung. Wir prüfen die eingegangenen Projektanträge und bereiten die Förderentscheidung vor. Erfolgreiche Bewerbungen bekommen die projektgebundenen Mittel bewilligt. Die Projekte laufen meist anderthalb bis drei Jahre und werden während dieser Zeit auch von uns begleitet. Zu unseren Aufgaben gehört auch, die Verwendung der Fördergelder zu prüfen.

 

Nach welchen Kriterien werden Förderungen vergeben?

Ein Projekt muss eine gewisse Innovationshöhe haben und ein technisches und wirtschaftliches Risiko für die Organisation bergen, ansonsten könnte das Vorhaben ja auch ohne Förderung aus eigener Kraft finanziert werden. Entscheidend ist auch der Verwertungscharakter. Es muss absehbar sein, was in zwei, drei Jahren mit den umgesetzten Forschungsergebnissen möglich wird. Wir wollen schließlich keine Forschung für die Schublade unterstützen, sondern verfolgen eine starke Anwendungsorientierung und auch das passt sehr gut zu Fraunhofer.

Besonders im Fokus stehen Verbünde, zu denen sich Forschungsorganisationen wie die Fraunhofer-Gesellschaft oder Universitäten mit Unternehmen für ein Projekt zusammenschließen. Neben anderen Instituten ist Fraunhofer ESK hier übrigens recht aktiv. Wir haben in Bayern auf Industrieseite große Unternehmen wie zum Beispiel BMW, Audi oder Siemens in der Förderung, aber auch viele kleine und mittelständische Unternehmen. Auf den Mittelstand legen wir besonderen Fokus, weil aus diesem Segment sehr gute und innovative Ideen kommen, dort aber häufig nicht die notwendigen Mittel für die Umsetzung vorhanden sind.

Um den Innovationsgrad der Vorhaben zu bewerten, muss ich natürlich den Stand der Technik kennen. Daher besuche ich auch immer wieder Konferenzen oder Veranstaltungen wie etwa den Fraunhofer-Alumni-Summit 2018 in Aachen oder vor kurzem eine Veranstaltung von Fraunhofer IPA zum Thema KI in Stuttgart.

 

Haben Sie thematische Schwerpunkte?

Ich bearbeite vor allem Vorhaben aus dem Bereich Informations- und Kommunikations-Technik und beschäftige mich mit Themen wie Künstliche Intelligenz, Big Data, Industrie 4.0, Blockchain, IoT, IT-Sicherheit, Cloud- und Edge-Computing. Alles Themen, in denen auch Fraunhofer aktiv ist.

 

Sie sitzen am Puls der Forschung, können Sie einen Bereich ausmachen, der aktuell besonders interessant ist?

Derzeit erhalte ich viele Projektvorschläge aus dem Bereich Künstliche Intelligenz. Dazu zählen Anwendungen aus den verschiedensten Bereichen, wie Autonome Mobilität, Produktionstechnik, Robotik, Energiewirtschaft und Logistik.

Ein Beispiel für KI-Anwendungen in der Produktionstechnik ist die Qualitätssicherung durch vorausschauende Wartung. KI-basierte Systeme sammeln Daten und lernen, Muster abzuleiten, aus denen bei Abweichungen ein Wartungsbedarf vorhergesagt werden kann. Anwendungsfälle dazu gibt es beispielsweise in der Automobilproduktion. Ein wesentlicher Aspekt der Forschungsprojekte ist natürlich auch die Wirtschaftlichkeit. Roboter sollen etwas effizienter machen als ein Mensch oder Wartungsprozesse in der Fertigung sollen verbessert werden.

Sicherlich schafft es auch nicht jeder Antrag, für eine Förderung vorgeschlagen zu werden?

Die Frage, ob ein Projekt als innovativ und förderwürdig zu beurteilen ist oder nicht, ist stets aufs Neue eine Herausforderung und verlangt häufig die Einarbeitung in neue Themen. Es erfordert ein tiefes technologisches Verständnis, um die Projektskizzen der Antragsteller zu verstehen und begutachten zu können. Andererseits müssen wir unsere Bewertungen für die Fördergeber so formulieren, dass auch Nicht-Technologen sie verstehen können.

Ich finde es sehr spannend, dass ich dabei täglich mit ganz unterschiedlichen Menschen zu tun habe, das Spektrum reicht vom Kleinunternehmer über den Professor bis hin zu Forschungs- und Entwicklungsleitern großer Unternehmen.

 

Wie sehen sie die Technologie-Landschaft in Deutschland?

Gerade von großen deutschen Technologie-Unternehmen bekomme ich zu hören, dass es in Deutschland zu wenige Start-ups gibt, da viele Gründer abwandern, wohin bleibt aber unklar. Es landen sicherlich nicht alle im Silicon Valley.

Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus aber kann ich diese Kritik nicht ganz nachvollziehen. Wir haben beispielsweise hier im Großraum München mit dem Garchinger Technologie- und Gründerzentrum einen großen Forschungscampus, wo ein Gründergeist herrscht und viele innovative Kräfte wirken. Was die Förderungsmöglichkeiten anbelangt, ist Bayern unter anderem mit der Strategie Bayern Digital gut aufgestellt.

 

Bleiben wir beim Thema Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz. Wie stehen wir hierzulande im Vergleich zu anderen Ländern aus Ihrer Sicht?

Im internationalen Vergleich mit den USA und China sind wir tatsächlich hinterher, insbesondere was die Umsetzung betrifft. Wenn man liest, dass mit der KI-Strategie der Bundesregierung 100 neue Professuren geschaffen werden sollen, ist das sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist aus meiner Sicht aber wichtig, die Ergebnisse schneller auf den Weg zu bringen. In Deutschland fordern wir erklärbare KI, wir wollen nachvollziehen können, was da wirklich passiert, wir fordern Transparenz, und Datenschutzthemen stehen bei uns stärker im Vordergrund als in anderen Ländern. Diese Punkte können hemmend wirken. Ich denke aber, dass man das auch als Chance auffassen sollte!

 

Auf jeden Fall, das Vertrauen der Verbraucher ist gerade bei diesen Themen eine wichtige Währung. Aber wo sehen Sie Risiken?

Wir sind bereits von Künstlicher Intelligenz umgeben. Beispielsweise immer dann, wenn Sie die Sprachassistenzfunktion an Ihrem Handy nutzen. Aber neben Alexa oder Siri wird KI auch bei ganz anderen Themen in unserem Alltag zunehmend eine große Rolle spielen, zum Beispiel beim autonomen Fahren oder künftig bei Flugtaxis. Wir sind uns alle einig, dass wir um KI nicht herumkommen werden.

Ich sehe das aber alles nicht so dramatisch. Ich glaube nicht, dass wir überrollt werden von einer Technologie, die viel intelligenter ist als der Mensch. Auch die Gefahr, dass viele Arbeitsplätze wegfallen, sehe ich so nicht. Es werden andere Berufsbilder entstehen, und die Mitarbeitenden müssen frühzeitig sensibilisiert und mit Schulungen darauf vorbereitet werden. Damit können die Menschen auch mitgenommen werden und Technologie-Ängste abgebaut werden.

KI und große Datenmengen alleine werden aber in vielen Bereichen nicht ausreichen, sondern es wird immer das menschliche Expertenwissen benötigt werden, um verlässliche Lösungen zu erzielen. Es gibt immer noch genügend Beispiele, in denen eine KI völlig unerwartet und anderes reagiert und in denen wir Menschen tatsächlich besser sind.

 

Unser Alumni-Summit findet übrigens gemeinsam mit »FUTURAS IN RES« zum Thema künstliche Intelligenz statt.

Das habe ich schon im Kalender stehen und bin gespannt auf die Kombination des Alumni-Summits mit den Fachthemen, die bei FUTURAS IN RES behandelt werden.

Wir danken Ihnen für das Gespräch, Frau Eickhoff