ecoSUP - StandUp-Paddleboard aus alten Windkraftanlagen

Von der ausgemusterten Windturbine in den Wassersport.

Palmen, unberührte Strände kristallklares Meer: Christoph Pöhler genießt seinen Urlaub auf den tausenden Kilometern entfernten Fidschi-Inseln. Doch die Zivilisation holt den Ingenieur auf seinem Stand-Up-Paddle (SUP) schnell ein: Sein Board treibt auf einmal zwischen Flipflops, Waschmittelflaschen und Teilen eines Surfboards. Auch das Sportgerät, auf dem er sich eigentlich erholen wollte, ist aus Kunststoff. Der wird in diesem abgelegenen Teil der Welt ziemlich sicher nicht recycelt. Pöhler will nicht mehr länger Teil des Problems sein: Die Idee für ecoSUP ist geboren. Seine Vision: ein SUP, das zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen besteht. Der Doktorand findet am Fraunhofer-Institut für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut WKI, beste Voraussetzungen für seine Idee. Das WKI verfügt über einzigartiges Verfahren zur Herstellung von Holzschäumen. Zudem experimentieren die Forscherinnen und Forscher mit Bauteilen aus Naturfasern und spezialisieren sich auf Verfahrenstechnik, Naturfaserverbundkunststoffe, Oberflächentechnologien für Holz- und Emissionsschutz. Und natürlich forscht man in Braunschweig auch zu Recyclingverfahren. Nach einer ersten Sondierungsförderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) will Pöhler nun mit Hilfe einer Crowdfounding-Campagne auf der Plattform Startnext sein Projekt weiter voranbringen. Mit dem begeisterten Wissenschaftler, Wassersportler und Weltretter haben wir uns über die besonderen Herausforderungen und die weiteren Pläne für ecoSUP unterhalten.

Plastikmüll am Strand der Fidschi-Inseln
© C. Pöhler
Plastikmüll am Strand der Fidschi-Inseln. Selbst auf diese abgelegenen Insel-Gruppe wird das Problem des Plastik-Mülls sichtbar.
Die ersten Entwürfe für das ecoSUP stehen bereits.
© Fraunhofer WKI
Die ersten Entwürfe für das ecoSUP stehen bereits. Bei der Konzeptionierung des Boards will der Doktorand des Fraunhofer WKI besonders darauf achten, dass bestehende Produktionseinheiten weiter genutzt werden können.

Wie kann man sich dieses 100-Prozent Bio-basierte Stand-up-Paddle vorstellen?

Der Aufbau ist ähnlich wie bei einem konventionellen Surfbrett. In der Regel wird ein Polystyrol-Kern, also das, was man als Styropor kennt, mit Glasfasern verstärkt und mit einem Epoxid-Harz versiegelt. Das ist günstig und die Herstellungsprozesse sind für diese Materialien optimiert. Von den Produkteigenschaften bekommt man auf diese Weise hohe Festigkeit und Haltbarkeit. Wir aber wollen für diese nicht gerade umweltfreundlichen Materialien mit dem Projekt ecoSUP pflanzliche Alternativen entwickeln.

Darüber hinaus ist es eines unserer Ziele, den Prozess so zu vereinfachen, dass man die bereits bestehenden Produktionsmittel auch mit unseren nachwachsenden Materialien einfach weiter einsetzen kann. Wenn das Investitionsniveau bei der Einführung zu hoch ist, wird man dieses Verfahren nur schwer vermitteln können. Es ist natürlich immer verlockend, ein vielleicht ideales Produkt zu entwickeln. Doch man darf die Wirtschaftlichkeit nicht aus den Augen verlieren. Daher konzentrieren wir uns auf die Entwicklung von Materialien und Verfahren, die sich in etablierten Verfahren einsetzen lassen.

Es sollte doch eigentlich kein Problem sein, ein Board aus Holz zu bauen?

Es gibt natürlich verschiedene Anforderungen. Es muss transportabel sein, wir müssen eine Abwägung machen zwischen Festigkeit und Gewicht. Festigkeit ist bei Holz eigentlich kein Problem, allerdings geht das zu Lasten des Gewichts. Unsere heimischen Holzarten haben eine hohe Dichte. Um damit den nötigen Auftrieb zu erzeugen, würde das Board daher sehr groß und somit zu schwer werden. Man könnte den Schwimmkörper hohl gestalten, und nur von außen mit Holz versehen, doch dabei gerät man wieder sehr schnell an eine wirtschaftliche Grenze. Eine solche Bauweise ist stark von Handarbeit geprägt und lässt sich aus meiner Sicht kaum industrialisieren. Sprich das Endprodukt wäre für die meisten Verbraucher schlicht zu teuer.

Wo liegt der größten Forschungsbedarf?

Eine der größten Herausforderungen sehen wir auf jeden Fall in der Entwicklung des Biopolymers. Wir versuchen natürlich verschiedene Ziele oder Eigenschaften zu vereinen. Das biobasierte Material nach dem wir suchen, muss in vielerlei Hinsicht beständig sein. Es wird der UV-Strahlung, unterschiedlichen Temperaturen und Salzwasser ausgesetzt, was für Polymere immer etwas kritisch ist. Bei der Nutzung von Naturfasern ist man zudem eingeschränkt hinsichtlich Prozesstemperaturen, wodurch wir uns auf sogenannte duroplastische Polymere fokussieren, die für ihre Verarbeitung nicht geschmolzen werden müssen. UND es wäre wünschenswert, wenn es am Ende des Lebenszyklus leicht recycelbar oder biologisch abbaubar ist. Daher sind wir bei der Auswahl des Harzes sehr limitiert. Wir suchen zusammen mit Chemikerinnen und Chemikern vom WKI nach einer eigenen Formulierung für ein 100-Prozent-biobasierten und haltbaren Biopolymer auf Itaconsäurebasis. Das ist eine Säure, die aus kleinen Molekülen besteht und die man vergleichsweise günstig und in großer Menge aus Nebenprodukten der Landwirtschaft gewinnen kann.

Kampagnenvideo ecoSUP

Blick in das Innere eines Rotorblattes einer Windturbine.
© Fraunhofer WKI
Blick in das Innere eines Rotorblattes einer Windturbine. Diese Propeller sind hohl und bestehen aus kleinen Balsaholz-Würfeln, die mit Glasfasern und Harzen verklebt sind. Nach rund 20 Jahren Laufzeit muss ein Großteil dieser Rotoren recycelt werden. Bisher ist das kaum möglich.
Recyceltes Balsaholz aus einer Windturbine
© Fraunhofer WKI
In mehreren Schritten sind die Expertinnen und Experten vom WKI in der Lage, das verbaute und wertvolle Balsaholz aus dem Faserverbund der Rotoren zu trennen. Übrig bleiben kleinteilige Würfel, die sich in dieser Form nicht zu einer Weiterverarbeitung eignen.
Diese Würfel werden weiter zu einer art Holzwolle oder einem Holzschleim weiterverarbeitet.
© Fraunhofer WKI
Diese Würfel werden weiter zu einer art Holzwolle oder einem Holzschleim weiterverarbeitet.

Und dieses Bio-Harz soll dann die Hülle für das Board liefern?

Man hat einen Kern und eine Hülle. Das erdölbasierte Epoxid-Harz, das derzeit zum Einsatz kommt, bietet zwar eine gute Abschirmung, trägt aber keine großen Kräfte und wird daher mit Glasfasern verstärkt. Wir wollen die Außenhaut des ecoSUPs stattdessen mit Flachsfasern verstärken. Unter Naturfasern zählen Flachsfasern zu denen mit der höchsten mechanischen Festigkeit und Elastizitätsmodul. (Zur Erklärung: Je höher der Elastizitätsmodul, umso geringer die Durchbiegung bei gleicher Belastung.) Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Fasern in Europa hergestellt werden. So fallen Transportwege weg, was einen geringeren ökologischen Fußabdruck ermöglicht. Glasfasern sind zwar etwa doppelt oder dreimal so fest wie eine Flachsfaser, doch die Dichte der Flachsfaser ist etwa um die Hälfte geringer, was uns im Leichtbau sehr gelegen kommt. So können wir etwa die doppelte Menge an Flachs einsetzen und die geringere Festigkeit kompensieren.

Aus welchen Materialien besteht der Corpus des Boards?

Wir verfügen am WKI über ein patentiertes Verfahren, über das man aus Hölzern oder Holzresten Schäume herstellen kann, die keine Klebstoffe mehr benötigen! Für ecoSUP verwenden wir Balsaholz. Gegenüber heimischen Hölzern ist es deutlich leichter und wächst sehr schnell. Allerdings liegen die Hauptanbaugebiete in Ecuador und Papua-Neuguinea. Der Rohstoff würde um die halbe Welt reisen, bevor er bei uns zum Einsatz kommen könnte. Daher wollen wir unser Balsaholz aus Rotorblättern ausgemusterter Windkraftanlagen zurückgewinnen.

Balsaholz aus Windkraftrotoren steckt in Form von kleinen Quadern – kaum größer als eine Streichholzschachtel – in einem Faserverbund, der teilweise mehrere Zentimeter misst. Trennt man das in einer Hammermühle oder einem Reaktor wieder auf, erhält man sehr kleine Holzteile. Diese Teile werden in verschiedenen Refinern weiterverarbeitet. Über die patentierte Technologie können wir aus diesen Teilen zunächst eine Art Schleim und dann einen leichten, aber festen Holzschaum herstellen.

Dieser Holzschaum, der den Kern des Boards bilden soll, ist ein Alleinstellungsmerkmal von ecoSUP?

Wir untersuchen natürlich in anderen Projekten den Einsatz dieses Ausgangsmaterials in verschiedenen Anwendungen wie Dämmstoffen oder Terrassendielen. Aber Ziel unseres Projekts wäre es, dieses Material zu lizenzieren, um einen möglichst breiten Markt erreichen zu können und so einen möglichst großen Impact zu erzielen.

Wie viele Rotorenblätter kann man pro Jahr recyceln?

Im Jahr 2020 werden rund 6000 Windkraftanlagen außer Betrieb genommen. Vor etwa 20 Jahren gab es den ersten großen Schub bei Windkraft. Nach dieser Frist werden die Turbinen außer Betrieb genommen, da die EEG-Förderung wegfällt und es sich für den Betreiber nicht mehr rechnet, diese weiterlaufen zu lassen. Die Teile werden unter anderem ins Ausland verbracht, allzu häufig aber werden diese abgebaut und müssen irgendwie entsorgt werden. Ein Großteil wird derzeit »thermisch« genutzt, was aber nicht im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist. Einige Hersteller zermahlen die Rotorblätter und liefern diese als Zusatz- und Brennstoff an die Zementindustrie. Die Zusammensetzung der Glasfasern eignet sich als Zusatzstoff und Substitut für Zement. Die Reste inklusive dem Holz werden bislang einfach verbrannt.

Flachsfasern statt Carbon- oder Glasfasern
© Fraunhofer WKI
Am Ende des vom WKI patentierten Verfahrens entsteht ein fester und gleichzeitig vergleichsweise leichter Holzschaum. Christoph Pöhler zeigt in diesem Beispeil mit ein Bauteil mit einer Versiegelung aus einem Bio-Polymer. Mit diesem Holzschaum will Pöhler den Korpus des Boards ausfüllen. Für die Verstärkung der Außenhülle ersetzt der Wissenschaftler die Glasfasern mit nachwachsenden Flachsfasern.
© Fraunhofer WKI/Natalie Vellguth
Flachs unbehandelt und Flachs in Polyamid (links) sowie Flachs mit Beschichtung und der zugehörige Probekörper (rechts). Forschende am WKI beschäftigen sich mit Naturfaserverstärkten Kunststoffen (NFK), die dafür einer speziellen Beschichtung ummantelt werden. Solche NFK sollen künftig in verschiedenen Einsatzbereichen verwendet werden, zum Beispiel im Innenraum von Fahrzeugen. Christoph Pöhler will jedoch noch einen Schritt weiter gehen und für diese Fasern auch Bio-Harze oder Lacke für sein Projekt einsetzen.

Pro Rotorblatt fallen bis zu 6 Kubikmeter Holz an. Durch das Aufschäumen können wir ein Vielfaches dieses Volumens gewinnen. Der Balsa-Holzschaum wiegt weniger als 100 Kilogramm pro Kubikmeter, im Ausgangsmaterial sind es rund 300 Kilogramm pro Kubikmeter. Wir wollen die Dichte weiter senken, um am Ende das gleiche Gewicht wie ein konventionelles Board zu haben. Damit lösen wir im ersten Schritt nicht das gesamte Problem, aber wir zeigen einen Verwertungsweg auf. Wir verhindern, dass mit Balsaholz ein so hervorragender Baustoff verbrannt werden muss.

Zudem wollen wir mit dem Material noch andere Anwendungsbereiche erschließen. Das Stand-up-Paddle-Board ist unser erstes Leuchtturmprojekt. Letztendlich lässt es sich auch in vielen anderen Bereichen verwenden. Unser Ziel ist es aber ganz klar, dass wir das Material zunächst im Wasser einsetzen wollen, um schließlich andere Einsatzmöglichkeiten zu entwickeln.

Das klingt großartig, aber wie ist die Akzeptanz für solch ein nachhaltiges Produkt?


Es gibt das Beispiel eines Herstellers, der ein Paddel aus Bambus für Stand-up-Paddles auf den Markt bringen wollte. Aus materialtechnischer Sicht ist das eine großartige Idee. Dennoch wurde dieses Paddel wieder vom Markt genommen. Die Kunden waren nicht überzeugt. Aber nur, weil es ein Bio-Material ist, bedeutet das nicht, dass es nicht lange hält. Stattdessen werden jetzt wieder Carbon-Paddel verkauft, die in der Verwertung und Entsorgung sehr problematisch sind. Es gibt keine echten Recyclingkonzepte für dieses Material. Aus diesen Erfahrungen wollen wir lernen. Es wäre schade, wenn man es nicht schafft, den Nutzer zu überzeugen. Ich glaube, da muss man viel Arbeit investieren. Vielleicht hilft es, wenn man Garantien auf unser Produkt gibt.

Was sind die nächsten Schritte?

Wir hatten eine Förderung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung für die sogenannte Sondierungsphase. Derzeit läuft noch unsere Bewerbung für die Machbarkeitsphase. Zu dem Crowdfunding-Projekt wurde ich von der Fraunhofer-Zentrale und dem Fraunhofer IMW angespornt. Das IMW untersucht derzeit in einem wissenschaftlichen Projekt neue Finanzierungsformen. Für mich aber war der Hauptbeweggrund für die Crowdfunding-Kampagne, möglichst viele Menschen zu erreichen und eine breitere Öffentlichkeit auf die Problematik aufmerksam zu machen.

Welche Förderung kommt vom Fraunhofer WKI?

Ich kann zumindest teilweise während meiner Arbeitszeit an dem Projekt arbeiten oder kann Teile der Infrastruktur des Instituts nutzen. Mein Abteilungsleiter steht voll hinter dem Projekt und der Kampagne und zahlreiche Kollegen unterstützen mich dabei. Zudem profitiere ich vom Know-how aus den verschiedenen Fachbereichen am Fraunhofer WKI, wie zum Beispiel von unseren Chemikerinnen und Chemikern. Die untersuchen, wie man Holz ohne toxikologische Stoffe imprägnieren kann. So bekommt man in viele Bereiche Einblicke. Ich erhalte aber keine Forschungsmittel wie etwa eine KVF (Kurzfristige Vorlaufforschung) über das Institut.

Gibt es schon Gedanken, das Projekt nach Abschluss der Entwicklung weiterzuführen?

Ich fände das cool, das Thema in eine Ausgründung zu transferieren. Ich habe auch schon mit Fraunhofer Venture und AHEAD Kontakt aufgenommen. Doch aktuell steht bei uns noch die Produktentwicklung im Vordergrund. Eine Ausgründung wäre aber auf jeden Fall ein Ziel.

Waren die genannten Bereiche auch schon während des Studiums Thema?

Ja, tatsächlich habe ich mich schon im Rahmen meines Masters mit Flachsfasern und Alternativen zu konventionellem Beton, sogenannten Geopolymeren beschäftigt. Allerdings für andere Anwendungen, denn ich habe für den Bachelor Wirtschaftsingenieurwesen mit Fachrichtung Bauingenieurwesen studiert und dann den Master in Bauwesen absolviert. Bei meiner Doktorarbeit zum Langzeitverbund von faserverstärkten Kunststoffen und Holz liegt der Fokus auf dem Einsatz im Bauwesen. Ein Aspekt der Arbeit ist zum Beispiel, dass man den Holzbau für höhere Gebäudeklassen fördert. Jenseits der Höhe von Einfamilienhäusern stößt Holz an bauliche Grenzen, weil die Dimensionen zu groß werden. Eine Möglichkeit ist die Kombination mit anderen Baustoffen. Hier bieten sich bspw. Carbonfasern an, um die Festigkeit und Steifigkeit zu erhöhen. Aus dem Aspekt der Nachhaltigkeit heraus muss man solche Alternativen allerdings kritisch betrachten.

Wir danken für das Gespräch, Herr Pöhler, und wünschen für Ihr Projekt alles Gute.