Bausteine der Zukunft

Kreislaufwirtschaft

Seltene Erden

Der Mangel an Seltenen Erden trifft besonders die Elektronikbranche und die Autoindustrie. In der Elektronik stecken sie in LEDs, Lasern oder Displays, bei E-Autos vorwiegend in Akkus und Magneten. Zwar sind die Seltenen Erden nicht gar so selten, wie der Name vermu­ten lässt. Das Problem liegt vor allem in der Abhängigkeit von den fördernden Ländern: Die Selten-Erd-Metalle stam­men zu etwa 80 Prozent aus China. Zu welchen Kompli­kationen das führen kann, zeigt der drastische Preisan­stieg, der vor etwa zehn Jahren stattfand, als Peking einen Exportstopp verhängte. Es gilt also, die Abhängigkeit zu reduzieren und mögliche Engpässe zu minimieren.

 

Jana Rückschloss
© Sonja Och
»Vor allem die Versorgung mit Platin und Ruthenium könnte kritisch werden«, fürchtet Jana Rückschloss, Wissenschaftlerin am Fraunhofer IZM.
Karsten Schischke
© Sonja Och
An der Verlängerung des Lebenszyklus von Mobiltelefonen arbeitet Karsten Schischke vom Fraunhofer IZM: »Reparierbarkeit und Modularität greife ineinander.«

Bisher wird Kreislaufwirtschaft oft vorwiegend unter dem Aspekt Klimapolitik betrachtet. Durch den weltweiten Rohstoffmangel wird sie zunehmend wirtschaftlich inte­ressant. Der Frage nach Potenzialen sind das Fraunhofer-Center for Responsible Research and Innovation CeRRI, das Fraunhofer-Zentrum für Internationales Manage­ment und Wissensökonomie IMW und das Fraunhofer- Institut für Umwelt-, Sicherheits-und Energietechnik UMSICHT gemeinsam mit der Stiftung 2 Grad und der Stiftung Familien­unternehmen nachgegangen: in der Studie »Circular Economy in Familienunternehmen – Heraus­forderungen, Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen«. Mit dem Ziel, die Kreislaufwirtschaft in Schwung zu bringen, macht die Studie konkrete Empfehlun­gen für die deutsche Politik – et­wa handhabbare Standards und Normen für Rezyklate schaffen. Die Ergebnisse sind vielverspre­chend: So spart eines der befrag­ten 21 Unternehmen bei der Pro­duktion von Kfz-Teilen 85 Prozent des Rohmaterials und 55 Prozent des Energiebedarfs im Vergleich zu Neuteilen ein. Ein anderer Hersteller erhöht die Ka­pazität seiner Aluminiumproduktion durch Recycling und die Erweiterung der Produktionsanlagen um 20 000 Tonnen pro Jahr. Ein weiteres Fallbeispiel zeigt auf, wie bei der Feuerverzinkung 80 Prozent an Zink gegenüber herkömmlichen Prozessen eingespart werden.

»Wenn Europa unabhängig werden will, brauchen wir die Kreislaufwirtschaft – schließlich gibt es hier we­der Kobalt und Nickel noch Mangan«, ist Privatdozent Dr. Benjamin Balke überzeugt. Der Abteilungsleiter an der Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS widmet sich im Projekt Hy­droLIBRec dem Recycling elementarer Bauteile rund um die E-Mobilität, die kritische Rohstoffe wie Kobalt und Seltene Erden enthalten. Genauer gesagt den Lithium-Ionen-Batte­rien, die in Elektrofahrzeugen ver­baut werden.

Die Frage, die sich den Forsche­rinnen und Forschern des Fraun­hofer IWKS als erste stellt: Wie weit soll das Material aufgetrennt wer­den? Schließlich sind die komple­xen intermetallischen Verbindun­gen schwer zu lösen – es wäre also viel Energie nötig, um die Verbin­dungen bis hin zu den Elementen sortenrein zu trennen. »Wir bevor­zugen daher das funktionale Re­cycling«, sagt Balke. Im Fall der Batterien heißt das: Das Kathoden­material wird nicht in die einzel­nen Metalle zerlegt, sondern als komplexe Verbindung recycelt. Ele­mentar für ein wirtschaftliches Recycling ist die Demontage. Ein Schreddern der Batterien ist wenig zielführend, denn die einzelnen Fraktionen bleiben dabei durchmischt und lassen sich nur äußerst schwer wieder herauslösen. Ein Demontieren per Hand ist zu kostspielig und aufwendig.

Das Forscherteam entwickelt daher eine automatisier­te Demontage. »Die gesamte Batterie wird elektrohydrau­lisch zerkleinert: Dazu wird sie in Wasser gelegt, in dem kurze Hochspannungspulse von 40 000 Volt angelegt wer­den. Dies induziert eine Stoßwelle im Wasser, die auf die Sollbruchstellen zwischen den Materialien einwirkt und sie voneinander trennt«, erläutert Dr. Balke. Über weitere Sortierschritte lassen sich die einzelnen Bestandteile – Kupfer, Alu, Plastik – abtrennen. Zurück bleibt die Schwarz­masse, eine Mischung aus Anoden-, Kathoden- und Elek­trolytmaterial. Die kritischen Elemente Nickel, Mangan und Kobalt sind in der Kathodenmasse enthalten. »Um die Aufbereitung dieser Masse ökologisch und ökonomisch zu bewerten, durchlaufen wir verschiedene Prozesse und ermitteln den besten Weg«, erläutert Balke. So viel ist be­reits klar: Was die Qualität angeht, ist das recycelte Ka­thodenmaterial bereits gut brauchbar. Nun gilt es, das Re­cycling in Richtung Industrialisierung zu bringen.

Lohnenswert kann ein Recycling auch bei Neodym-Eisen-Bor-Magneten sein: Diese stecken unter anderem in Elektromotoren, Festplatten, Handys und Lautsprechern. Denn: 90 Prozent der Energie, die zur Herstellung solcher Magnete benötigt wird, fließen in Abbau, Trennung und Aufbereitung der enthaltenen Selten-Erd-Oxide – Mate­rial- und Energiekosten, die beim Recycling eingespart werden können. Der Recyclingpro­zess an sich ist bereit, in Europa mangelt es jedoch noch an Rück­nahmesystemen und an Abneh­mern. »Der Markt dafür entsteht derzeit«, sagt Konrad Opelt, Wissen­schaftler am Fraunhofer IWKS.

Im Projekt FUNMAG arbeitet er daran, alte Magnete wieder nutzbar zu machen und vor allem zu de­monstrieren, dass sie ohne Leis­tungseinbußen funktionieren. »Wir wollen zeigen, dass Anwendungen mit unseren wiederaufbereiteten Magneten die gleichen Eigenschaf­ten aufweisen wie neue«, sagt Opelt. »Zwar kann es beim Recyclingver­fahren Qualitätsverluste geben, je­doch kann man diese zum Beispiel über Änderungen in der Mikro­struktur ausgleichen.«

Da sich die Magnete je nach An­wendung anders zusammensetzen – insbesondere die Arten und Anteile der enthaltenen Sel­tenen Erden unterscheiden sich –, sortieren die Forsche­rinnen und Forscher diese zunächst nach Einsatzgebieten und verspröden sie mit Wasserstoff zu einem groben Pul­ver. Dieses kann direkt wieder zur Produktion neuer Ma­gnete eingesetzt werden. Selbst inhomogene Gemenge lassen sich nutzen: Hier steht dann allerdings meist ein Downcycling auf dem Programm, also ein minderwerti­gerer Einsatz.

Während FUNMAG vor allem Hochleistungsanwen­dungen im Blick hat und nur Anwendungen für Neodym- Eisen-Bor-Magnete betrachtet, widmen sich Forscherin­nen und Forscher des Fraunhofer IWKS im Projekt RecyPer auch anderen Verwendungen. »Ziel ist es, mög­lichst viele Altmagnetströme zu betrachten – auch Mate­rial, welches man für einen Traktionsmotor nicht mehr verwenden kann – und dafür neue Anwendungsfelder zu identifizieren, etwa Haftmagnete am Whiteboard«, sagt Mario Schönfeldt, Projektleiter am Fraunhofer IWKS.

Ebenso wie bei den Magneten ist es auch in elektroni­schen Kleingeräten schwierig und somit unökonomisch, Metalle sortenrein zurückzugewinnen. »Im Smartphone ist ein reiner Materialwert von einem Euro enthalten«, weiß Karsten Schischke, Gruppenleiter am Fraunhofer IZM. »Mit metallurgischen Prozessen lässt sich Material im Wert von 90 Cent wieder recyceln. Gallium, Tantal und Seltene Erden machen die restlichen zehn Cent aus. Deren Rückgewinnung dürfte in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren noch nicht ökonomisch sein.« Er koordinierte das Projekt »sustainablySMART«, in dem das Fraunhofer IZM mit 17 weiteren Partnern aus acht Mitgliedsstaaten der Europäischen Union kooperierte und das mit dem Ralf­Dahrendorf-Preis für den Europäischen Forschungsraum ausgezeichnet wurde. Das Ziel: den Lebenszyklus mobiler Informations- und Kommunikationsgeräte durch die Ent­wicklung neuer Produktdesign-Ansätze zu verlängern – und somit ebenfalls Seltene Erden einzusparen. Dazu gehört auch die Reparierbarkeit der Geräte. »Bereits vor Urzeiten waren PCs modulare Geräte. Jetzt stellt sich die span­nende Frage: Wie kann man ein solches Konzept auf Kleingeräte übertragen?«, erläutert Schischke.

Ein wichtiger Punkt dazu ist die weitere Miniaturisierung, mit der das Forscherteam Platz für Ste­cker schafft. So lassen sich defekte Komponenten nicht nur schnell und einfach austauschen, sondern auch einzelne Halbleiterkompo­nenten aus Smartphone und Co. wieder zurückgewinnen und bei­spielsweise für weniger komplizier­te Anwendungen im Internet der Dinge nutzen. Das Forscherteam aus dem Fraunhofer IZM hat den strategischen Teil übernommen und analysiert, für welche Teile eine solche Rückgewin­nung sinnvoll sein könnte.

Die Verlängerung des Lebenszyklus von Kleinstgerä­ten steht auch im nationalen Projekt MoDeSt des Fraun­hofer IZM und der Firma Shift auf dem Programm. »Re­parierbarkeit und Modularität greifen ineinander«, erläutert Schischke. »Baut man die Geräte modular auf, muss man zunächst mehr an bestimmten Rohstoffen in­vestieren – man braucht beispielsweise Gold, um die Ste­cker zu realisieren.« Bezahlt macht sich dieser Ansatz dann, wenn der Verbraucher die Geräte statt drei Jahre fünf Jah­re nutzt, wie sich schon in früheren Projekten gezeigt hat: Die Einsparungen liegen dann bei etwa 30 Prozent. »Das Spannende ist, dass wir diese Erkenntnisse gerade im Auf­trag der Europäischen Kommission zweitverwerten kön­nen: Wie kann man bessere Reparierbarkeit, bessere Halt­barkeit und Lebensdauerverlängerung in der Gesetzgebung realisieren? Im nächsten oder übernächsten Jahr sollte mit Verordnungen für Smartphones zu rechnen sein, die erstmals Anforderungen an das Produktdesign, die Er­satzteilverfügbarkeit, die Batterielaufzeit, den Schutz vor Sturzschäden und andere lebensdauerverlängernde Maß­nahmen umfassen«, gibt Schischke einen Ausblick.

Werthaltige Metalle und Seltene Erden befinden sich auch im Elektroschrott, etwa in LCD-Panels. Allerdings sind die kunststoffhaltigen Schredderreste mit zahlrei­chen Verunreinigungen wie Flammschutzmitteln behaf­tet – sie landen deshalb in der Müllverbrennung. Metalle wie Indium, Gallium, Palladium, Silber und Co. gehen dabei verloren. Forscherinnen und Forscher des »Fraun­hofer Clusters of Excellence Circu­lar Plastics Economy CCPE« – in dem sechs Fraunhofer-Institute ihre Kompetenzen zum gesamten Le­benszyklus von Kunststoffproduk­ten zusammenführen – wollen das ändern: Am Fraunhofer UMSICHT haben sie ein Recyclingverfahren für kunststoffhaltige Verbundma­terialien entwickelt.

»Wir erhitzen die Schredderres­te ohne Sauerstoff auf 500 bis 600 Grad Celsius und überführen den Kunststoff somit in die Dampfpha­se«, erklärt Dr. Alexander Hofmann, Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft am Fraunhofer-UMSICHT-Instituts­teil in Sulzbach-Rosenberg. »Diesen Dampf kühlen wir wieder ab und kondensieren ihn zu Pyrolyse-Öl. Im Prozess wird das Pyrolyseöl vom Koks abgetrennt. Zurück bleibt der Pyrolyse-Koks mit den darin enthaltenen Metallen.« Der Pyrolyse-Koks wiederum kann in den Kupferhütten über bereits etablierte Verhüttungsprozesse wirtschaftlich weiterverarbeitet werden, die Metalle werden zurückge­wonnen. Eine Pilotanlage mit einem Durchsatz von 70 Kilogramm pro Stunde existiert bereits. Das Fraunhofer- Spin-off »Recycling Solutions Lippetal RSL« skaliert die­se derzeit hoch – auf einen Durchsatz von 250 Kilogramm pro Stunde. 2022 soll die Anlage fertiggestellt sein.

Projekte

FUNMAG − Funktionelles Magnetrecycling für eine nachhaltige E-Mobilität

Das Fraunhofer IWKS in Hanau erforscht in diesem Projekt die Erstellung eines Eigenschaftsportfolios für recycelte Nd-Fe-B-Hochleistungspermanentmagnete. Im Projekt werden gemischte Altmagnet-Ströme mit effizienten Recyclingtechnologien in neue Hochleistungsmagnete überführt. Diese werden in Demonstratoren eingebaut, getestet und einer kompletten Nachhaltigkeits- und Kostenbetrachtung unterzogen.

sustainablySMART

Sustainable Smart Mobile Devices Lifecycles through Advanced Re-design, Reliability, and Re-use and Remanufacturing Technologies

In der Vergangenheit wurden gebrauchte Elektronikkomponenten ausschließlich in Low-Cost-Produkten wiederverwendet. Die zunehmende Digitalisierung bringt zahlreiche neue Produktkonzepte mit sich, die Teile und Komponenten aus gebrauchten Smartphones und Tablets perfekt verwerten könnten. sustainablySMART demonstriert die Machbarkeit eines »Design for Circular Economy«-Ansatzes für konventionellere mobile IT-Designs.

MoDeSt − Smartphones länger nutzen

Aktuell verwenden mindestens 57 Mio. Menschen in Deutschland ein Smartphone (laut Bitkom). Diese enthalten eine Vielzahl wertvoller Metalle, aber auch Konfliktrohstoffe. Der größte Teil der Umweltwirkung wird durch die Herstellung der Smartphones verursacht. Die durchschnittliche Nutzungsdauer beträgt aber nur 2 Jahre. Im Proekt MoDeSt werden technische, soziale und wirtschaftliche Voraussetzungen für Modulkonzepte untersucht und Lösungsansätze für kreislauffähige und sozialökologisch sinnvolle modulare IKT entwickelt.